Buprenorphin-Depotpräparate – neue Depotformulierungen zugelassen

Seit November 2018 ist mit Buvidal erstmals ein Buprenorphin-Depotpräparat für die Behandlung von Erwachsenen und Jugendlichen ab 16 Jahren erhältlich. Buvidal wird einmal wöchentlich oder einmal monatlich als Injektion unter die Haut verabreicht (Soyka & Pogarell, 2019).
Voraussichtlich werden in Kürze zwei weitere Buprenorphin-Depotpräparat eine Zulassung erhalten: das Einmonatsdepot RBP-6000 (Sublocade) und das 6-Monats Depotimplantat (Probuphine).
Mit dem Depot soll die Adhärenz gesteigert, unbeabsichtigte Exposition von Kindern und Missbrauch vermieden und die Belastung durch tägliche überwachte Einnahme reduziert werden.
Aktuelle Daten aus der Behandlung von 428 opioidabhängigen Patienten zeigten, dass über einen Zeitraum von 28 Wochen 35% der Patienten, die Buvidal erhielten, negative Urinkontrollen für (andere) Opioide aufwiesen, im Vergleich zu 28% der Patienten unter Behandlung mit Buprenorphin sublingual als Vergleichstherapie (EMA 2018).
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Cannabis – Potential und Risiken. Ergebnisse einer wissenschaftlichen Analyse (D. Hermann, F. Kiefer, ZI Mannheim)

Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit wurden die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Risiken des Cannabis- Freizeitkonsums und zu dem Potential von Cannabisarzneimitteln in einem systematischen Review zusammengefasst (1). Die Ergebnisse werden in einem Buch publiziert, das sich noch im Druck befindet (2). Ein Kurzbericht wurde bereits am 30.09.2017 vom BMG veröffentlicht. Ziel war eine objektive, valide und an der besten wissenschaftlichen Evidenz orientierte Bewertung der in den seit 2006 publizierten Daten. Die Literaturrecherche beinhaltete eine systematische Suche in den Datenbanken PubMed, Medline, PsycINFO, EMBASE und der Cochrane Data Base of Systematic Reviews. Eingeschlossene Arbeiten wurden auf ihre methodische Qualität geprüft, Mängel in der Güte und Risiken für einen Bias analysiert und ein Evidenzgrad für jede Studie vergeben. Basierend auf der Studienanzahl, Qualität und Konsistenz der Ergebnisse, wurde eine Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse nach CERQual vorgenommen. Bei der Datenanalyse wurden geschlechts- und altersspezifische Effekte dezidiert mituntersucht.
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Vareniclin – Alkohol, ein Interaktionsrisiko?

Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat im März 2015 eine Warnung veröffentlicht, dass die Einnahme von Vareniclin (Champix® , Hersteller Pfizer) die Reaktion auf Alkohol verändern kann. (FDA 2015).
Vareniclin ist ein partieller Agonist an nikotinischen Azetycholinreptoren mit hoher Affinität zum α4β2-Subtyp. Es ist zugelassen zur Raucherentwöhnung. In der FDA Adverse Event Reporting System (FAERS) Datenbank beschreiben Patienten, die während der Behandlung mit Vareniclin Alkohol tranken, eine verringerte Toleranz gegenüber Alkohol (FDA, 2015). Es trat ungewöhnliches oder aggressives Verhalten auf, oder sie konnten sich nicht an Dinge erinnern, die geschehen waren. Die FDA empfiehlt daher, den Alkoholkonsum während der Behandlung mit Vareniclin zur Raucherentwöhnung einzuschränken. Weiterlesen

Tabakentwöhnung mit Vareniclin – neue Befunde zur Bewertung psychischer Risiken

Vareniclin, wirksam als partieller Agonist am α4β2 nikotinergen Acetylcholinrezeptor (nAChR), steht in Deutschland seit 2007 unter dem Handelsnamen Champix zur Raucherentwöhnung zur Verfügung. Während die Wirksamkeit der Substanz in der Raucherentwöhnung mit einer mehr als verdoppelten Abstinenzwahrscheinlichkeit gegenüber der Placebobehandlung gesichert ist (Cochrane Summaries 2013), besteht der Verdacht auf Vareniclin-assoziierte psychiatrische Nebenwirkungen, z.B. Depression und Suizidalität (Ahmed et al. 2013; siehe auch Kompendium-News vom 16.01.2012).
Bezüglich der neuropsychischer Risiken liegen nun zwei neue Publikationen vor, die eine Neubewertung sinnvoll erscheinen lassen.
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Nalmefen – als Alkoholtherapeutikum zugelassen und in Europa verfügbar

Die Europäische Arzneimittelbehörde hat am 25. Februar 2013 die Zulassung für Selincro® (Wikstoff: Nalmefen, Hersteller: Lundbeck) bei Alkoholabhängigkeit erteilt. Damit wurde erstmals ein Mittel zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit zugelassen, das nicht auf den Erhalt einer zuvor erreichten Abstinenz zielt, sondern die Reduktion der Trinkmenge unterstützt. Weiterlesen

Vareniclin – Neubewertung kardiovaskulärer und neuropsychischer Nebenwirkungen

Vareniclin ist eine der weltweit am häufigsten verschriebenen Substanzen zur Unterstützung der Raucherentwöhnung. Der partielle Agonist am α4β2- nikotinergen Azetylcholinrezeptor (nAChR) steht in Deutschland seit 2007 unter dem Handelsnamen Champix® zur Verfügung. Bezüglich der kardiovaskulären und neuropsychiatrischen Risiken, die bereits seit Einführung von Vareniclin diskutiert werden, liegen nun neue Daten vor. In einer aktuellen (6. Sept. 2011) Meta-Analyse der Daten zum kardiovaskulären Risikoprofil von Vareniclin wurden systematisch die Daten 14 randomisierten, kontrollierten Studien analysiert (Singh S et al. 2011, CMAJ 6; 183(12): 1359-66). In den in die Analyse eingegangenen Studien lagen Daten zu insgesamt 8216 Patienten über eine Behandlungsdauer zwischen 7 und 52 Wochen vor. Hierbei zeigte sich, dass die Vareniclinbehandlung im Vergleich zur Placebobehandlung mit einem 1,72-fach (72%) höheren Risiko assoziiert war, eine schwere kardiovaskuläre Symptomatik (Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzrhythmusstörung oder plötzlicher Herztod) zu erleiden. In absoluten Zahlen zeigten 52 von 4908 Vareniclin-behandelten Rauchern ein kardiovaskuläres Ereignis verglichen mit 27 von 3308 placebobehandelten Rauchern. Umgerechnet auf „numbers needed to harm“ ergab die statistische Analyse, dass bei jedem 28igsten Raucher unter Vareniclinbehandlung ein zusätzliches kardiovaskuläres Ereignis zu erwarten ist.

Das __Risiko neuropsychiatrischer Nebenwirkungen__ wie Depressivität, Agitiertheit und Suizidalität wurde seit Einführung von Vareniclin ebenfalls wiederholt diskutiert. Auch hierzu wurde kürzlich (02. November 2011) eine neue Studie auf Grundlage des Worst-Event-Reporting-System der FDA unter Einbeziehung von 9575 Case Reports zu Vareniclin publiziert (Moore TJ et al. 2011, PLoS One 6(11): e27016. [Epub 2011 Nov 2]). Die Analyse der FDA- Daten zu Vareniclin erfolgte im Vergleich zu den Fallberichten desselben Zeitraums zu Buproprion (1751) und der Nikotinersatztherapie (1917). Insgesamt wurden 3259 Fallberichte zu suizidalem, selbstverletzendem Verhalten oder Depression ausgewertet. Hierbei bezogen sich 90% der Fälle (2925) auf die Behandlung mit Vareniclin, 7% (229) auf die Behandlung mit Buproprion und 3 % (95) auf die Nikotinersatzbehandlung. Im Vergleich zur Nikotinersatztherapie lag die Odds-Ratio für Suizidalität, selbstverletzendes Verhalten oder Depression für Vareniclin bei 8,4 und für Buproprion bei 2,9. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass auf Basis dieser Daten von einem substanziellen, statistisch signifikant erhöhten Risiko von Depressivität und von suizidalem-, selbstverletzendem Verhalten unter Vareniclin ausgegangen werden muss.

Bereits im __Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie__ (8.A) wurden auf S. 502 auf die neuropsychiatrischen Nebenwirkungen hingewiesen. Allerdings wurde betont, dass bisher ein Vareniclin-spezifischer Effekt nicht gesichert werden konnte. Diese Aussage muss nun durch die vorgestellten Untersuchungen revidiert werden.

Klinische Konsequenzen:
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Mit beiden Studien liegen nun erstmals belastbare Daten zum kardiovaskulären Risiko und zum Risiko von Depression und suizidalem Verhalten unter Vareniclinbehandlung von Rauchern vor. Die Analysen beider Publikationen bestätigen Befunde aus kleineren vorangehenden Untersuchungen, dass die Behandlung von Rauchern mit Vareniclin substantielle Risiken birgt, die im Einzelfall zu einer Risikoabwägung führen sollte. Hierbei sind auch die gesundheitlichen Konsequenzen eines fortgesetzten Nikotinkonsums zu berücksichtigen. Fällt die Entscheidung für eine Vareniclin-Therapie, so sollten kardiovaskuläre Risikofaktoren wie erhöhter Blutdruck oder erhöhter Cholesterinplasmaspiegel durch eine sorgfältige kardiovaskuläre Diagnostik vor Behandlung ausgeschlossen oder ggf. begleitend therapiert werden. Auch Depressivität und Suizidalität sollten als relative Ausschlusskriterien gelten und im Verlauf der Behandlung regelmäßig geprüft werden.

__Falk Kiefer, Mannheim__
__Otto Benkert, Mainz__

Naltrexon – Zulassung in der Rückfallprophylaxe der Alkoholabhängigkeit

Der zentrale Opiatantagonist Naltrexon (Adepend®) ist im Mai 2010 im Rahmen eines umfassenden Therapieprogramms gegen Alkoholabhängigkeit zur Reduktion des Rückfallrisikos, als unterstützende Behandlung in der Abstinenz und zur Minderung des Verlangens nach Alkohol zugelassen worden und befindet sich seit Herbst 2010 im Handel.

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Psychostimulantien – Diskussion um EKG- Ableitung vor der Verschreibung

Während die American Academy of Pediatrics (AAP) zunächst keine EKG-Ableitung vor der Behandlung mit Psychostimulanzien bei Patienten mit ADHS bei fehlenden Risikofaktoren empfohlen hatte, empfahl die American Heart Association (AHA) grundsätzlich eine EKG-Ableitung vor bzw. während der Behandlung mit Psychostimulanzien und Atomoxetin. Während die AHA argumentierte, dass die Patienten mit ADHS überproportional viele angeborene Herzfehler hätten (Vetter et al., 2008), argumentierte die AAP, dass keine Hinweise für kausale Zusammenhänge zwischen dem Auftreten kardiovaskulärer Symptome, Erkrankungen und Todesfälle und der medikamentösen Therapie vorliegen würden (Perrin et al., 2008).

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Vareniclin – Zulassung zur Raucherentwöhnung

Seit März 2007 steht in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit Vareniclin (Champix®) ein neues Medikament zur Raucherentwöhnung zur Verfügung.

Bei Vareniclin handelt es sich um einen hochaffinen partiellen Agonisten des α4β2-nikotinergen Acetylcholin-Rezeptors (nACh), welcher zum einen durch die Verdrängung des Nikotins vom Rezeptor die euphorisierende Tabakwirkung aufhebt, zum anderen durch seinen partiell-agonistischen Effekt das Nikotinentzugssyndrom lindert.

Zum Nachweis der Wirksamkeit von Vareniclin gibt es zwei große randomisierte Kurzzeitstudien über 12 Wochen Gonzales et al. 2006, JAMA 296:47 Jorenby et al. 2006, JAMA 296:56 und eine Extensionsstudie über weitere 12 Wochen mit einer Nachbeobachtung von 52 Wochen Tonstad et al.; JAMA 2006; 296:64

Die 12-wöchige Behandlung mit Vareniclin (2 x 1mg täglich) steigerte im Vergleich zu Bupropion und Placebo die 4-wöchige Dauerabstinenz signifikant (Vareniclin: 44%, Bupropion: 30%, Placebo: 18%). Die Ausdehnung der Behandlung um weitere 12 Wochen steigerte den abstinenzerhaltenden Effekt von Vareniclin bei den vorher abstinenten Patienten nochmals deutlich (52-Wochen Abstinenzraten: Vareniclin: 44%, Placebo: 37%).

Es wird eine Dosis von 2 x 1mg täglich empfohlen, dieses stellt auch die zugelassene Höchstdosis dar.

An Nebenwirkungen wurden häufig Übelkeit (ca. 29%), Schlafstörungen (14.3%) und Kopfschmerzen (12.8%) beobachtet. Das Ausmaß der Nebenwirkungen wurde jedoch mit mild beurteilt.

Nachteilig ist die Nichterstattungsfähigkeit der Substanz. Vareniclin muss in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Privatrezept verordnet werden.

Mit Vareniclin liegt eine weitere wirksame Substanz zur Raucherentwöhnung vor. Die Wirksamkeit von Vareniclin ist möglicherweise anderen Pharmakotherapien in der Raucherentwöhnung (z.B. Buproprion) überlegen.

Christoph Fehr, Mainz

Otto Benkert, Mainz