Regelmäßiges Rauchen stellt nach den Analysen der WHO weiterhin den wesentlichen vermeidbaren Risikofaktor für Behinderung und Tod in westlichen Ländern dar.
Seit 2007 steht in Deutschland mit Vareniclin (Champix®), einem partiellen Agonisten am α4β2 nikotinergen Acetylcholinrezeptor (nAChR), eine weitere Wirkstoffgruppe zur pharmakologischen Unterstützung der Raucherentwöhnung zur Verfügung. Obwohl Vareniclin seine Wirksamkeit in der Indikation in mehreren großen klinischen Studien gegenüber Placebo, Bupropion und Nikotinersatzstoffen unter Beweis gestellt hat, ist die verschreibungspflichtige Substanz aufgrund von Meldungen über schwerwiegende unerwünschte psychiatrische Nebenwirkungen, wie suizidale Gedanken und Suizidversuche bisher in Deutschland nur vereinzelt eingesetzt worden.
Eine Kohortenstudie aus dem hausärztlichen Bereich in England, welche psychiatrische Nebenwirkungen drei Monate nach Beginn einer pharmakologischen Raucherentwöhnung bei allen Verschreibungen erfasste, gibt einerseits Anlass zur Entwarnung (Gunnell et al., BMC 2009; 339:b3805). Das relative Risiko der Entwicklung depressiver Symptome, suizidaler Gedanken, Suizidversuche und Suizide unterschied sich nicht zwischen den mit Vareniclin, Bupropion und Nikotinersatzstoffen behandelten Patienten.
Andererseits dient die hohe Anzahl spontaner Meldungen über psychiatrische Nebenwirkungen (sog. „yellow card“ Meldungen) unter den mit Vareniclin behandelten Patienten im den entsprechenden Arzneimittelregistern in England auch als Beleg dafür, dass das Risiko psychiatrischer Nebenwirkungen in der epidemiologischen Studie im hausärztlichen Setting möglicherweise unterschätzt wird (More und Furberg, BMC 2009, Dec 1;339: b4964). Ergänzend berichtet die FDA in ihrer Auswertung der bis November 2007 gemeldeten 133 Spontanmeldungen von psychiatrischen Nebenwirkungen unter Vareniclin, dass bei 38% der Berichte über suizidale Gedanken bzw. 50% der Berichte über suizidale Handlungen unter Vareniclin eine psychiatrische Vorgeschichte bestand (FDA Drug Safety Newsletter 2009, 2:1).
Die Tatsache, dass vergleichbare psychiatrische Nebenwirkungen auch unter Bupropion berichtet werden, sprechen eher dafür, dass suizidale Gedanken und Handlungen schwerwiegende Komplikationen des Nikotinentzugs unabhängig von der pharmakologischen Behandlung darstellen könnten, die bisher unzureichend mit prospektiven Studien untersucht ist. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass sowohl unter Bupropion als auch unter Variniclin die psychiatrischen Nebenwirkungen pharmakologisch bedingt sind.
Somit bleibt die Bewertung der Studie und des Risikoprofils von Vareniclin (und möglicherweise auch von Bupropion) in der Raucherentwöhnung kontrovers.
Klinische Konsequenzen
- Mehrere unabhängige Studien unterstreichen die Wirksamkeit und Sicherheit von Vareniclin bei Rauchern ohne psychiatrische Vorgeschichte. Dieser Patientengruppe sollte Vareniclin als Option in der Raucherentwöhnung, insbesondere bei frustranen Vorversuchen mit Nikotinersatzstoffen angeboten werden.
- In seltenen Fällen kann es unter der Einnahme von Vareniclin im Raucherentzug zur Entwicklung suizidaler Gedanken und Handlungen kommen. Entwöhnungswillige Raucher mit einer psychiatrischen Vorgeschichte sind hiervon wahrscheinlich überzufällig betroffen. Vareniclin sollte daher bei Patienten mit einer psychiatrischen Vorgeschichte, insbesondere mit suizidalen Gedanken und Suizidversuchen, nur unter intensivierter Betreuung und engmaschiger Beobachtung psychiatrischer Nebenwirkungen erfolgen.
Christoph Fehr, Frankfurt a.M.
Otto Benkert, Mainz