Naltrexon – Zulassung in der Rückfallprophylaxe der Alkoholabhängigkeit

Der zentrale Opiatantagonist Naltrexon (Adepend®) ist im Mai 2010 im Rahmen eines umfassenden Therapieprogramms gegen Alkoholabhängigkeit zur Reduktion des Rückfallrisikos, als unterstützende Behandlung in der Abstinenz und zur Minderung des Verlangens nach Alkohol zugelassen worden und befindet sich seit Herbst 2010 im Handel.

Der Inhaber der europaweiten Zulassung von Adepend ® ist die Firma Orpha Devels (Punkersdorf, Österreich), der Mitvertrieb erfolgt in Deutschland durch die Firmen Desitin Arzneimittel und Declimed GmbH.

Grundlage für die Zulassung waren die Ergebnisse aus mehr als 20 randomisierten klinische Studien aus den vergangenen 20 Jahren, in denen die orale Gabe von 50-100 mg Naltrexon mit der Gabe von Placebo über 12-16 Wochen an mehr als 2500 Patienten verglichen wurde. Metaanalysen dieser Studien zeigen, dass eine Naltrexon Behandlung das Risiko für einen Alkoholrückfall um 36% reduziert (Srisurapanont M et al., Intern J Neuropsychopharmacology 2005, 8: 267; Srisurapanont M et al., Cochrane Database Syst Rev 2005, CD001867).

Der Wirkmechanismus von Naltrexon ist noch nicht restlos aufgeklärt, es wird angenommen, dass Naltrexon eine alkoholbedingte Stimulation des körpereigenen Opiatsystems hemmt. Die Therapie mit Naltrexon  ist eine non-aversive Therapie und verursacht daher keine Alkohol-Reaktion, wie sie vom Dilsufiram bekannt ist.

Die empfohlene Tagesdosis ist 50 mg, die als Einmalgabe morgens nüchtern erfolgen sollte.

Die Verträglichkeit der Substanz ist im allgemeinen gut, zu den sehr häufigen Nebenwirkungen zählen Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Unruhe, Bauchkrämpfe, Übelkeit, Gelenk- und Knochenschmerzen und Abgeschlagenheit.

Die Substanz unterliegt einem ausgeprägten „First-pass“ -Lebermetabolismus, der Hauptmetabolit 6-ß-Naltrexol wird jedoch hauptsächlich über die Niere ausgeschieden. Schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen stellen daher Kontraindikationen für eine Naltrexonverordnung dar.

Die Angabe einer optimalen Behandlungsdauer von Adepend® 50 mg ist schwierig, da der Verlauf der Entwöhnungsbehandlung individuell unterschiedlich verlaufen kann. In klinischen Studien führte eine engmaschig ärztlich begleitete Behandlungsdauer von 12-16 Wochen zu signifikant-positiven Effekten (Anton et al., JAMA 2006, 295; 2003), in Einzelfällen kann eine längere Behandlung sinnvoll sein.

Vor der Anwendung muss in jedem Fall ein Opiatkonsum ausgeschlossen werden, da die Anwendung ansonsten ein schmerzhaftes Opiatentzugssyndrom auslösen kann. Der Hersteller empfiehlt hierzu einen intravenösen Naloxon Provokationstest (Details, siehe Fachinformation), im klinischen Alltag sollte neben der genauen Sucht- und Medikamentenanamnese auch ein Drogenscreening auf Opiate/Methadon durchgeführt werden. Die Patienten sollten vor Beginn der Behandlung auch darüber aufgeklärt werden, dass es unter der Behandlung von Naltrexon zu einer Wirkungsabschwächung /-verlust anderer Opiate (z.B. als Schmerzmittel, zur symptomatischen Behandlung einer Diarrhoe, als Antitussiva) kommt. In Situationen, wie z.B. einer Opiatanalgesie im Rahmen eines operativen Notfalls kann die Gabe höherer Opiatdosierungen notwendig werden, um den erwünschten Effekt zu erzielen. Die Patienten sollten daher einen entsprechenden Notfallsausweis tragen, der zusammen mit dem umfangreichen Informationsmaterial als Vordruck auf der Homepage der Firma verfügbar ist  (www.desitin.de).  

 

Klinische Konsequenzen:

Mit der Zulassung von Naltrexon (Adepend®) wird das  wahrscheinlich wirksamste Präparat zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit offiziell verschreibungsfähig.

Unter der Anwendung von Naltrexon kommt es zu einem Rückgang angenehmer Alkoholeffekte, welcher das Fortsetzen des Alkoholkonsums im Sinne eines Verstärkerverlustes weniger wahrscheinlich macht.

Die zugelassene Indikation beschränkt sich auf abstinente alkoholabhängige Patienten; die Substanz hat jedoch auch einen trinkmengenreduzierenden Effekt bei nicht eindeutig abstinenzmotivierten Patienten.

Die Zulassung ist auf das Präparat Adepend® (Desitin Arzneimittel) beschränkt und gilt nicht für das wirkstoffgleiche Nemexin® (Bristol Myers Squibb).

Es bleibt zu hoffen, dass mit der offiziellen Zulassung von Adepend® eine größere Anzahl alkoholabhängiger Patienten von dieser Therapie profitieren können.

 

Christoph Fehr, Frankfurt am Main

Otto Benkert, Mainz

 

 

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.