Valproat – Neue Anwendungseinschränkungen; Einführung eines Schwangerschaftsverhütungsprogramms

Wiederholt haben wir an dieser Stelle (vgl. News vom 13.04.2015) und zuletzt in der aktuellen 12. Auflage des Kompendiums der Psychiatrischen Pharmakotherapie dringend davor gewarnt, Valproat bei Frauen im gebärfähigen Alter anzuwenden. Bereits im Juli 2017 titelte ‚The Lancet‘ in dem Beitrag von B. Casassus „France bans sodium valproate use in case of pregnancy“ (Lancet, 2017 Jul 15;390(10091):217), dass in Frankreich per Erlass der nationalen Arzneimittelbehörde ANSM ab Juli der Einsatz von Valproat bei Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter ohne effektive Kontrazeption bei der Behandlung bipolarer Störungen kontraindiziert sei. Erste Hinweise auf die ausgeprägte Teratogenität von Valproat beim Menschen gab es schon 1982, als Robert & Guibaud in ‚The Lancet‘ über die Assoziation einer intrauterinen Valproat-Exposition und dem gehäuften Auftreten von Neuralrohrdefekten berichteten.
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Retardiertes Lithium – Einnahme am Abend und Blutspiegelmessung am Morgen

Lithium ist ein bewährtes Arzneimittel zur Behandlung manisch-depressiver Episoden. Es ist wirksam für die Akut- und Erhaltungstherapie und zur Rückfallprophylaxe. Es besitzt allerdings eine enge therapeutische Breite (Baird-Gunning et al. 2017, Hayes et al. 2016). Daher ist die Überwachung der Arzneistoffkonzentration im Blut, d.h. Therapeutisches Drug Monitoring (TDM), bei einer Behandlung mit Lithium obligat (Hiemke et al. 2018). Die Blutspiegel (die Begriffe „Blutspiegel“, „Plasmakonzentration“ oder „Serumkonzentrationen“ werden synonym gebraucht) von Lithium schwanken intra- und interindividuell erheblich, vor allem bei veränderter Nierenfunktion ist immer mit einer Veränderung der Lithiumkonzentration zu rechnen. Um eine effektive Wirkung bei möglichst guter Verträglichkeit zu erzielen, sollten die Konzentrationen von Lithium zwischen 0,5 und 1,2 mmol/l, möglichst zwischen 0,5 und 0,8mmol/l, liegen. Bei einer Konzentration unter 0,5 mmol/l ist mit keiner therapeutischen Wirkung zu rechnen. Über 1,2 mmol/l ist Lithium potenziell toxisch, 1,5 mmol/l dürfen nicht überschritten werden (Malhi et al. 2016). Bei Alterspatienten wird als maximale Konzentration 0,6 mmol/L empfohlen (Sun et al. 2018).
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Lithium – Aktuelle Befunde zur vermuteten Assoziation mit Tumo-ren ableitender Harnwege

Lithium und Valproat, nicht aber Carbamazepin, haben inhibitorische Effekte auf die Glykogen-Synthase-Kinase-3-β (GSK3-β), deren Überexpression zu einer vermehrten Apoptose führt. Hinweise, wonach Lithium durch eine Inhibition von GSK3- β in Zusammenhang mit der Entwicklung demenzieller Syndrome (GSK3- β scheint in der Pathogenese der Demenz eine Rolle zu spielen) in Verbindung steht, zeigten sich nicht. Vielmehr waren mit Lithium behandelte bipolare Patienten signifikant seltener dement (Gerhard et al 2015). Jedoch lässt die durch Lithium verursachte Inhibition von GSK3- β als einem Enzym, das in die Pathogenese verschiedener Krebsarten involviert ist, die Frage aufkommen, ob eine Assoziation zwischen einer Lithiumtherapie und Krebserkrankungen, vor allem Tumoren ableitender Harnwege besteht.
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Quetiapin – Fallberichte von Kardiomyopathien

Ein gut dokumentierter, kürzlich publizierter Einzelfall spricht recht eindeutig für eine durch Quetiapin verursachte, medikamentös-toxische schwere Kardiomyopathie mit kardiogenem Schock im Verlauf einer etwa 4-monatigen Therapie mit Quetiapin 800mg/d bei einer 39-jährigen Patientin mit Psychose [1,2]. Sowohl ausführliche kardiale Normalbefunde vor Beginn der Therapie als auch die stationär durchgeführte präzise Differenzialdiagnostik und die weitgehende Restitution der kardiologischen Befunde unter Aripiprazol sprechen für einen kausalen Zusammenhang [1]. Weiterlesen

Carbamazepin – Therapiesicherheit bei der Behandlung: HLA-Allele disponieren für UAWs

Mit einer Carbamazepin-Behandlung ist häufiger als bei den meisten anderen Medikamenten das Auftreten eines Stevens-Johnson-Syndroms (SJS) oder einer Toxischen Epidermalen Nekrolyse (TEN) als schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen bekannt.
Es liegen Daten vor, die darauf hinweisen, dass das Allel HLA-A*3101 bei Personen mit europäischer Abstammung sowie bei Japanern mit einem erhöhten Risiko von Carbamazepin-induzierten unerwünschten Arzneimittelwirkungen der Haut assoziiert ist (McCormack et al. 2011). Weiterlesen

Valproat – verstärkte Sicherheitswarnung zu hohem Anomalierisiko bei Neugeborenen

Bereits in der aktuellen Auflage 10. Auflage des Kompendiums der Psychiatrischen Pharmakotherapie haben wir dringend davor gewarnt, Valproat bei Frauen im gebärfähigen Alter anzuwenden. Kurz nach Erscheinen des Kompendiums wurde dann seitens der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Dezember 2014 ein Rote-Hand-Brief veröffentlicht, der verstärkte Sicherheitswarnungen in Bezug auf alldiejenigen Arzneimittel aussprach, die Valproat enthalten. Konkret geht es hierbei um das Risiko für Anomalien des Neugeborenen, falls Valproat in der Schwangerschaft eingesetzt werden sollte. Weiterlesen

Lamotrigin und Sertralin – Verzicht auf die Kombination wegen hoher Interaktionsrisiken

Arzneimittelinteraktionen können zu erwünschten, aber auch zu verminderten und unerwünschten Wirkungen führen. Die Wahrscheinlichkeit von (pharmakokinetischen) Wechselwirkungen steigt vor allem dann, wenn gemeinsame Stoffwechselwege genutzt werden und eine wechselseitige Beeinflussung des Metabolismus stattfindet.
Kontrovers diskutiert wird derzeit eine mögliche Wechselwirkung zwischen Sertralin und Lamotrigin mit einer wahrscheinlich erhöhten Auftretenswahrscheinlichkeit unerwünschter Arzneimittelwirkungen, wobei die Datenlage derzeit noch keine eindeutigen Schlüsse zulässt.
Wir möchten trotzdem an dieser Stelle auf die Möglichkeit einer Interaktion zwischen Sertralin und Lamotrigin hinweisen, weil sie vor allem mit einer erhöhten Inzidenz von unerwünschten Arzneimittelwirkungen im Sinne idiosynkratischer Hautreaktionen einhergehen könnte. Weiterlesen

Lurasidon – Zulassung zur Schizophrenie-Behandlung in der EU

Für Lurasidon (Latuda) wurde nach der FDA-Zulassung (Schizophrenie im Oktober 2010, Dosis 40-160mg/d; Bipolare Depression, als Monotherapie oder in Verbindung mit Lithium oder Valproat, im Juni 2013, Dosis 20-120mg/d) die Zulassung zur Schizophrenie-Behandlung bei der European Medicines Agency (EMA) im Oktober 2012 beantragt. In der Schweiz besteht bereits eine Zulassung zur Behandlung von Patienten mit Schizophrenie (August 2013).
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Risperidon und Paliperidon – Rote-Hand-Brief zum Risiko eines Intraoperativen Floppy Iris Syndrom (IFIS)

Am 09.09.2013 wurde von der Fa. Janssen-Cilag GmbH in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in einem Rote-Hand-Brief über das Risiko eines intraoperativen Floppy Iris Syndroms (IFIS) während einer Kataraktoperation bei Patienten unter Behandlung mit Risperidon oder Paliperidon informiert.
Ein IFIS ist mit einer erhöhten Rate kataraktchirurgischer Komplikationen verbunden, einschließlich Ruptur der hinteren Linsenkapsel und Glaskörperverlust.
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Quetiapin – Notwendige Ergänzungen zur Plasmaspiegelmessung

Erkenntnisse über die Abhängigkeit des Quetiapin-Plasmaspiegels vom Dosierungsschema und von der galenischen Formulierung erfordern die Anwendung eines Korrekturfaktors, der hier erläutert wird, bei Anwendung von Therapeutischem Drug Monitoring (TDM).

Quetiapin ist ein atypisches Antipsychotikum mit trizyklischer Struktur, das in zwei galenischen Formulierungen verfügbar ist, als nichtretardierte Filmtablette und als Retardtablette. Es ist zugelassen zur Behandlung und Rezidivprävention der Schizophrenie, zur Behandlung der schweren Formen der manischen und depressiven Episoden bei bipolaren Störungen, zur Prävention von Rückfällen bei manischen und depressiven Episoden (nur wenn Quetiapin angesprochen hat) und als Augmentationstherapie bei depressiven Episoden (nur Retardtabletten) (s. Kompendium 9.A und Pocket Guide 2.A).
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