Quetiapin – Fallberichte von Kardiomyopathien

Ein gut dokumentierter, kürzlich publizierter Einzelfall spricht recht eindeutig für eine durch Quetiapin verursachte, medikamentös-toxische schwere Kardiomyopathie mit kardiogenem Schock im Verlauf einer etwa 4-monatigen Therapie mit Quetiapin 800mg/d bei einer 39-jährigen Patientin mit Psychose [1,2]. Sowohl ausführliche kardiale Normalbefunde vor Beginn der Therapie als auch die stationär durchgeführte präzise Differenzialdiagnostik und die weitgehende Restitution der kardiologischen Befunde unter Aripiprazol sprechen für einen kausalen Zusammenhang [1].
Ein weiterer aktueller Fallbericht einer 37-jährigen Patientin mit Schizophrenie, die unter einer über dreijährigen Behandlung mit Quetiapin in einer Dosis von allerdings 1400mg/d (und einer Komedikation mit Benzodiazepinen, niedrig dosiertem Levomepromazin, Bromperidol und einem Kontrazeptivum) eine lebensbedrohliche dilatative Kardiomyopathie entwickelte, lässt in Anbetracht der sorgfältigen Differenzialdiagnostik ebenfalls einen wesentlichen Zusammenhang mit der Hochdosis-Quetiapintherapie annehmen [3].

In der Literatur sind weitere einzelne Fallberichte von Kardiomyopathien im Zusammenhang mit Quetiapin beschrieben [4-8], darunter auch mit tödlichem Ausgang [5,6]. Des Weiteren fanden sich in Einzelfällen Hinweise auf Quetiapin-induzierte Myokarditiden, die manchmal einer Kardiomyopathie vorausgehen können [3,9,10].

Diese Fallberichte können ein Hinweis dafür sein, dass im Zusammenhang mit Quetiapin eine dilatative Kardiomyopathie mit eingeschränkter systolischer linksventrikulärer Funktion und den Zeichen einer schweren Herzinsuffizienz auftreten kann. Die betroffenen Patienten waren zwischen etwa 20 und 40 Jahre alt, Dosierungen zwischen 600 und 1400mg/d Quetiapin (unretardiert und retardiert) wurden berichtet. Die Symptome (v.a. einer schweren Herzinsuffizienz) traten nach variablen, zumeist längeren Behandlungszeiten (Monate bis Jahre) auf.

In der Fachinformation von Quetiapin werden als kardiale „Nebenwirkungen“ Tachykardie und Palpitationen (häufig) sowie QT-Verlängerungen und Bradykardie (gelegentlich) berichtet, unter “Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ wird auf Berichte über Kardiomyopathien und Myokarditiden aus klinischen Studien und im Rahmen von Erfahrungen nach Markteinführung hingewiesen. Ein kausaler Zusammenhang mit Quetiapin sei allerdings nicht belegt worden, die Behandlung mit Quetiapin sollte entsprechend der Fachinformation bei Patienten mit Verdacht auf eine Kardiomyopathie oder Myokarditis überdacht werden [11].

Der mögliche Pathomechanismus für die Entstehung einer Kardiomyopathie unter Quetiapin ist nicht bekannt; da auch unter Clozapin und Olanzapin Myokarditiden und Kardiomyopathien (v.a. unter Clozapin) beschrieben wurden [12], kann ein Klasseneffekt nicht ausgeschlossen werden. Sowohl direkte toxische Effekte als auch inflammatorische Faktoren werden diskutiert [3].

Klinische Konsequenzen

Bei recht häufigen und breiten Anwendung ist zwar davon auszugehen, dass es sich bei Myokarditiden und Kardiomyopathien unter Quetiapin um eine nur sehr selten auftretende Nebenwirkung handelt. Da eine Kardiomyopathie aber schwerwiegend und auch tödlich verlaufen kann, sollte man bei Symptomen einer Herzinsuffizienz unter Behandlung mit Quetiapin, wie z. B. Luftnot, Palpitationen, eingeschränkte Belastbarkeit, rasche Erschöpfung und periphere Ödeme, auch diese Differenzialdiagnose frühzeitig in Betracht ziehen und auch entsprechende Verdachtsfälle melden [1]. Diagnostische Maßnahmen sind insbesondere frühzeitige EKG- und echokardiographische Untersuchungen. Ob eine Dosisreduktion vorteilhaft zur Vermeidung dieser Komplikation wäre, kann derzeit nicht beurteilt werden, zumal Quetiapin offensichtlich nicht selten in höheren Dosierungen (off label) eingesetzt wird [2].

Literatur

[1] Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). http://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/Bekanntgaben/20160923.html, download am 10.10.2016
[2] Bekanntgaben der Herausgeber – „Aus der UAW-Datenbank“: Medikamentös-toxische Kardiomyopathie mit kardiogenem Schock unter Quetiapin. Deutsches Ärzteblatt 2016; 113: A-1667
[3] Smolders DM, Smolders WA. Case Report and Review of the Literature: Cardiomyopathy in a young woman on high-dose quetiapine. Cardiovasc Toxicol 2016 Nov 1. [Epub ahead of print]
[4] Coulter DM, Bate A, Meyboom RH, Lindquist M, Edwards IR. Antipsychotic drugs and heart muscle disorder in international pharmacovigilance: data mining study. Br Med J 2001; 322:1207-1209
[5] Bush A, Burgess C. Fatal cardiomyopathy due to quetiapine. N Z Med J 2008; 121: U2909
[6] Coffey S, Williams M. Quetiapine-associated cardiomyopathy. N Z Med J 2011; 124: 105–107
[7] Kaler M, Shakur R, Learner HI, Deaner A, Howard RJ. Could it be quetiapine-induced peripartum cardiomyopathy? Obstet Med 2013; 6: 35-37
[8] No authors. Quetiapine and cardiac muscle disorders. Prescrire Int 2013; 22: 184
[9] Roesch-Ely D, Von Einsiedel R, Kathöfer S, Schwaninger M, Weisbrod M. Myocarditis with quetiapine. Am J Psychiatry 2002; 159: 1607-8
[10] Wassef N, Khan N, Munir S. Quetiapine-induced myocarditis presenting as acute STEMI. BMJ Case Rep 2015; pii: bcr2014207151
[11] AstraZeneca GmbH. Fachinformation „Seroquel® Filmtabletten“. Stand: September 2015
[12] Curto M, Girardi N, Lionetto L, Ciavarella GM, Ferracuti S, Baldessarini RJ. Systematic review of clozapine cardiotoxicity. Curr Psychiatry Rep 2016; 18: 68

Matthias J. Müller, Berlin, [mjmueller@gmx.de]

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.