Paliperidon und Aripiprazol – zwei neue Depotformulierungen von der FDA zugelassen

Paliperidonpalmitat als Dreimonats-Depotformulierung (PP3M)

Nach der Zulassung von Paliperidonpalmitat als 3-Monatsdepot-Formulierung (PP3M) durch die FDA (Juni 2015; Handelsname INVEGA TRINZA [1]) wurde von der Fa. Janssen ein Antrag auf Erweiterungszulassung auch in Europa (EMA) gestellt (geplanter Handelsname in Europa TREVICTA). Die Zulassung in Europa wird für den Sommer 2016 erwartet.
Bei der neuen Paliperidonpalmitat-Formulierung (PP3M), die durch eine größere Partikelgröße eine noch langsamere Freisetzung nach intramuskulärer Injektion als die 1-Monats-Formulierung von Paliperidonpalmitat (PP1M) ermöglicht [2], handelt es sich um das erste Depotpräparat für Erwachsene mit Schizophrenie, das nur viermal pro Jahr verabreicht wird. Die 3-Monatsformulierung von Paliperidon-Palmitat (PP3M) kann bei erwachsenen Patienten mit Schizophrenie eingesetzt werden, die bereits mit der 1-Monatsformulierung (PP1M, XEPLION) für mindestens 4 Monate gut eingestellt waren. PP3M ist in den Dosierungen von 273-819 mg (entsprechend einer Paliperidon-Dosis von 175-525 mg) verfügbar und kann sowohl deltoideal als auch gluteal injiziert werden. Die Dosisempfehlung beträgt das 3.5-fache der zuletzt injizierten PP1M-Dosis [1].

Der europäische Antrag zu Paliperidonpalmitat als Dreimonats-Depotpräparat basiert nach Angaben des Herstellers auf zwei Phase-III-Studien. Bei der ersten Studie, die als Grundlage für den bei der US-Gesundheitsbehörde FDA eingereichten Zulassungsantrag diente, handelt es sich um eine randomisierte, multizentrische, doppelblinde, placebokontrollierte Rezidivpräventionsstudie (RCT), an der über 500 Patienten mit Schizophrenie teilnahmen [3]. Die zweite Studie ist eine randomisierte, doppelblinde klinische Prüfung auf Nicht-Unterlegenheit von Paliperidonpalmitat als Drei- und Einmonats-Formulierung.

Paliperidon (9-OH-Risperidon) als wirksamer Metabolit von Risperidon ist in oraler, retardierter Galenik (INVEGA) sowie als Paliperidon-Palmitat (PP1M; XEPLION) mit 4-wöchigen Injektionsintervallen bereits auf dem Markt; sowohl pharmakodynamische Charakteristika (v.a. kombinierte Dopamin-D2/Serotonin-5HT2A-Rezeptorblockade) als auch klinische Wirkungen und Nebenwirkungen sowie Kontraindikationen und Warnhinweise (u.a. erhöhte Mortalität bei Patienten mit Demenz) sind gut bekannt. Die Besonderheiten der Pharmakokinetik von PP3M zeigen sich in einem langsamen Anstieg der Plasmakonzentration (Cmax wird bei PP3M nach etwa 3-5 Wochen erreicht, bei PP1M nach etwa 13-17 Tagen) und einer sehr langen Eliminationshalbwertzeit von 3-4 Monaten (PP1M: 1-2 Monate); noch 18 Monate nach Injektion von PP3M waren Plasmaspiegel messbar [1].

Prinzipiell kann die einmal pro Quartal erforderliche Depotinjektion mit einem bekannten und bewährten Antipsychotikum für bereits mit Paliperidon stabil eingestellte Patienten mit Schizophrenie eine vorteilhafte Option darstellen. Die geringe Steuerbarkeit bei bekanntem Nebenwirkungsrisiko (v.a. EPS, Prolaktinerhöhung) sind jedoch zu berücksichtigen.

Literatur

[1] Invega Trinza – paliperidone palmitate. Prescribing information. Janssen Pharmaceuticals, Inc. 2015.
[2] Ravenstijn P, Remmerie B, Savitz A, Samtani MN, Nuamah I, Chang CT, De Meulder M, Hough D, Gopal S. Pharmacokinetics, safety, and tolerability of paliperidone palmitate 3-month formulation in patients with schizophrenia: A phase-1, single-dose, randomized, open-label study. J Clin Pharmacol. 2015 Jul 19. [Epub ahead of print]
[3] Berwaerts J, Liu Y, Gopal S, Nuamah I, Xu H, Savitz A, Coppola D, Schotte A, Remmerie B, Maruta N, Hough DW. Efficacy and Safety of the 3-Month Formulation of Paliperidone Palmitate vs Placebo for relapse Prevention of Schizophrenia: A Randomized Clinical Trial. JAMA Psychiatry. 2015; 72: 830-9.

Aripiprazol Lauroxil (Aristada)

Im Oktober 2015 wurde von der amerikanischen Zulassungsbehörde (FDA) ARIPIPRAZOL LAUROXIL (Handelsname: ARISTADA, Hersteller: Alkermes Inc., USA) als Depotpräparat zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit Schizophrenie zugelassen. Auf dem amerikanischen Markt ist damit neben Aripiprazol Monohydrat (auch in Europa als ABILIFY MAINTENA zugelassen, vgl. Kompendium News vom 08.07.2014) ein zweites Depotpräparat mit dem Wirkstoff Aripiprazol verfügbar [1].

Bei ARIPIPRAZOL LAUROXIL handelt es sich um eine sogenannte Prodrug (N-lauroyloxymethyl-aripiprazol), die nach intramuskulärer Injektion aus Partikeln langsam freigesetzt wird. Durch enzymatische Hydrolyse entstehen Laurinsäure und das intermediäre N-Hydroxymethylaripiprazol, das wahrscheinlich nicht-enzymatisch in Formaldehyd und das pharmakologisch aktive Aripiprazol umgewandelt wird. Aripiprazol wird vorwiegend hepatisch, v.a. über CYP3A4 und CYP2D6, metabolisiert; entsprechende Wechselwirkungen sind möglich, eine Dosisanpassung bei CYP2D6 poor metabolizern wird empfohlen [1]. Nach Injektion von ARIPIPRAZOL LAUROXIL entsteht unter steady state Bedingungen zu etwa 33-36% der Hauptmetabolit Dehydroaripiprazol, vergleichbar mit der oralen Applikation (33-39%) und der anderen verfügbaren Depotformulierung (Monohydrat; 29-33%). Das intermediäre N-Hydroxymethylaripiprazol lässt sich nur in geringer Konzentration nachweisen (<10%) [2].

Pharmakokinetische Untersuchungen ergaben einen maximalen Plasmaspiegel (Cmax) nach etwa 44 bis 50 Tagen (Mediane) sowie eine terminale Eliminationshalbwertzeit von 29-35 Tagen [3]. Die Freisetzung der Vorstufe und die Bildung von Aripiprazol erfolgen so verzögert, dass ein 4-6-wöchiges Injektionsintervall möglich ist und zu Beginn der Behandlung eine überlappende orale Medikation mit Aripiprazol für 21 Tage empfohlen wird. ARIPIPRAZOL LAUROXIL ist in Dosierungen von 441, 662 und 882 mg (entsprechend einer Aripiprazol-Dosis von 300, 450 und 600 mg) für 4-wöchige Injektionsintervalle, die höchste Dosierung auch für 6-wöchige Intervalle, zugelassen.

Die Injektion der niedrigen Dosis (441 mg) kann auch deltoidal erfolgen, ansonsten ist die glutäale Injektion (alle Dosierungen) vorgesehen [3]. Die deltoidale Injektion (441 mg) führt zu etwas früheren und höheren Peaks der Plasmakonzentration bei insgesamt im Vergleich zur glutäalen Injektion vergleichbarer Pharmakokinetik und einer etwas höheren Rate an berichteten Schmerzen und Unverträglichkeiten an der Injektionsstelle [2].

Die Pharmakodynamik des Wirkstoffs Aripiprazol ist bekannt, das Profil der klinischen Wirksamkeit und Verträglichkeit (Sicherheit, unerwünschte Arzneimittelwirkungen) von ARIPIPRAZOL LAUROXIL entspricht nach den vorliegenden Studien dem der oralen Applikationsform [1].

Literatur

[1] FDA (2015). Center for Drug Evaluation and Research, medical reviews. Application number: 207533Orig1s000; http://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/nda/2015/ 207533Orig1s000MedR.pdf
[2] Turncliff R, Hard M, Du Y, Risinger R, Ehrich EW (2014) Relative bioavailability and safety of aripiprazole lauroxil, a novel once-monthly, long-acting injectable atypical antipsychotic, following deltoid and gluteal administration in adult subjects with schizophrenia. Schizophr Res; 159: 404-10.
[3] Alkermes Inc. (2015). Full prescribing information ARISTADA™ (aripiprazole lauroxil) extended-release injectable suspension, for intramuscular use. http://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/label/2015/207533s000lbl.pdf.

Matthias J. Müller, Marburg/Gießen, [mjmueller@gmx.de]

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