Bei SSRI ist ein verbesserter Therapieerfolg durch Dosiserhöhungen innerhalb des empfohlenen Dosisbereiches bei der Behandlung der Major Depression bislang nicht angenommen worden. Höhere Dosierungen als die niedrigste wirksame Dosis schienen anhand früherer Studienergebnisse bei fehlendem Wirksamkeitsvorteil hingegen einzig mit vermehrten Nebenwirkungen assoziiert zu sein [1]. Entsprechend wird auch in der 2015 aktualisierten S3-Leitlinie „Unipolare Depression“ für SSRI bei initial unzureichender Response von einer Anhebung der Dosierung in Abhängigkeit von Verträglichkeit und den Anwendungsempfehlungen im Hinblick auf die hier fehlende Dosis-Wirkungs-Beziehung und Nachteilen in Bezug auf ein möglicherweise erhöhtes Nebenwirkungsprofil abgeraten [2].
Einer im Februar 2016 im American Journal of Psychiatry publizierten Metaanalyse nach zeigt sich hingegen auch für SSRI in der Behandlung der Major Depression eine zwar geringe, aber dennoch signifikante Assoziation zwischen Dosis und Wirksamkeit [3]. In die Analyse gingen 40 randomisierte kontrollierte Studien zur Wirksamkeit von SSRI in der Behandlung der Major Depression an insgesamt 10.039 Erwachsenen ein. Die verschiedenen SSRI-Dosierungen wurden hierfür in sogenannte Imipramin-Dosis-Äquivalente umgerechnet [4, 5] (100 mg Imipramin=120 mg Sertralin bzw. 100 mg Fluvoxamin bzw. 20 mg Paroxetin oder Fluoxetin bzw. 33.3 mg Citalopram bzw. 16.7 mg Escitalopram). Es zeigte sich eine signifikante, positive Assoziation zwischen der Dosierung der SSRI und der Wirksamkeit. Dabei waren höhere Dosierungen zwar mit einer schlechteren Verträglichkeit gemessen anhand der Anzahl der vorzeitigen Studienabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen verbunden, gleichzeitig fanden sich aber mit höheren Dosierungen weniger allgemeine vorzeitige Studienabbrüche als Zeichen einer vermutlich insgesamt besseren Wirksamkeit. Höhere Dosierungen (200 bis 250 mg Imipramin-Äquivalente) zeigten verglichen mit niedrigeren Dosierungen (100 – 200 mg Imipramin-Äquivalente) eine verbesserte Wirksamkeit [3]. Die größte Wirksamkeit fand sich für SSRI im Dosisbereich von 200-250 mg Imipramin-Dosis-Äquivalenten, dies würde entsprechend der oben genannten Umrechnung einer Dosis von 240 mg Sertralin, 200 mg Fluvoxamin, 40 mg Paroxetin oder Fluoxetin, 66.6 mg Citalopram oder 33.4 mg Escitalopram entsprechen. Hier ist allerdings zu bedenken, dass diese Dosierungen für Citalopram und Escitalopram deutlich über den max. zugelassenen Höchstdosen liegen (40 mg bzw. 20 mg). Dosierungen darüber erbachten keinen zusätzlichen Effekt. Die Studienergebnisse werden durch eine weitere aktuelle Studie unterstützt, in der sich ebenfalls eine positive Dosis-Wirkungs-Beziehung für SSRI (hier Citalopram, Paroxetin und Sertralin) fand [6].
Zusammenfassung
Eine Response durch Dosiserhöhung in der Behandlung der Major Depression ist insbesondere für TZA, MAOH und Venlafaxin belegt. Sie scheint besonders bei partieller Response eine plausible Strategie zu sein. In Anbetracht der Studienergebnisse kann entsprechend dem bereits häufig klinisch angewandten Vorgehen auch bei SSRI eine Dosiserhöhung erfolgsversprechend sein, insbesondere bei zuvor bestehender Dosierung im unteren empfohlenen Dosisbereich und guter Verträglichkeit.
Francesca Regen, Berlin
Otto Benkert, Mainz
Literatur:
[1] Adli M, Baethge C, Heinz A, Langlitz N, Bauer M. Is dose escalation of antidepressants a rational strategy after a medium-dose treatment has failed? A systematic review. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 2005;255(6):387-400.
[2] DGPPN, BÄK, KBV, AWMF, AkdÄ, BPtK, BApK, DAGSHG, DEGAM, DGPM, DGPs, DGRW (Hrsg.) für die Leitliniengruppe Unipolare Depression*. S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, 2. Auflage, Version 1, November 2015. Available from: www.depression.versorgungsleitlinien.de; [04.07.16]; DOI: 10.6101/AZQ/00026
[3] Jakubovski E, Varigonda AL, Freemantle N, Taylor MJ, Bloch MH. Systematic Review and Meta-Analysis: Dose-Response Relationship of Selective Serotonin Reuptake Inhibitors in Major Depressive Disorder. Am J Psychiatry. 2016;173(2):174-83.
[4] Benkert O, Szegedi A, Wetzel H. Minimum effective dose for antidepressants—an obligatory requirement for antidepressant drug evaluation? Int Clin Psychopharmacol. 1996 Sep;11(3):177-85.
[5] Bollini P, Pampallona S, Tibaldi G, Kupelnick B, Munizza C. Effectiveness of antidepressants. Meta-analysis of dose-effect relationships in randomized clinical trials. Br J Psychiatry. 1999 Apr;174:297-303.
[6] Hieronymus F, Nilsson S, Eriksson E. A mega-analysis of fixed-dose trials reveals dose-dependency and a rapid onset of action for the antidepressant effect of three selective serotonin reuptake inhibitors. Transl Psychiatry. 2016;6(6):e834. doi: 10.1038/tp.2016.104.