Antidepressiva – Neue Ergebnisse zu Vorteilen einer Kombination aus Psychotherapie und Pharmakotherapie in der Behandlung depressiver Episoden

Seit langem wird eine Kombination aus Psychotherapie und Pharmakotherapie als vorteilhaft in der Behandlung depressiver Episode angesehen. In einer aktuellen, groß angelegten, multizentrischen Studie der Arbeitsgruppe von Hollon et al. (1) wurde die Wirksamkeit einer Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) und Pharmakotherapie im Vergleich zu einer alleinigen Pharmakotherapie bei depressiven Patienten nochmals untersucht. 452 Patienten mit chronischer, über 2 Jahre anhaltender depressiver Episode oder rezidivierender depressiver Störung mit einem Hamilton Rating Scale Score (HAMD-17) > 14 Punkten wurden an 3 US-amerikanischen Zentren inkludiert und randomisiert einer alleinigen, individualisierten und anhand eines Algorithmus geleiteten Pharmakotherapie (n=225) oder einer kombinierten Behandlung aus Pharmakotherapie plus KVT (n=227) zugeführt. Die Behandlung erfolgte über einen Zeitraum von bis zu maximal 19 Monaten mit dem Ziel einer Remission und bis zu maximal 42 Monaten mit dem Ziel einer anhaltenden Remission. Eine anhaltende Remission („sustained remission“ bzw. „recovery“) war hierbei definiert als ein Zeitraum von 26 aufeinanderfolgenden Wochen ohne Rückfall. Primärer Endpunkt war die Rate an Patienten mit anhaltender Remission (1).

Der Anteil an Patienten mit anhaltender Remission war signifikant höher unter einer kombinierten Behandlung im Vergleich zu einer alleinigen medikamentösen Behandlung (72,6% vs. 62,5%, Number needed to treat (NNT)=10). Ein Vorteil für eine kombinierte Behandlung ergab sich hierbei allerdings nur für Patienten mit schweren depressiven Episoden (HAMD>22 Punkten; 73,4% vs. 54,3%, NNT=5) sowie für Patienten mit nicht chronischer depressiver Episode (76,7% vs. 59,2%, NNT= 6). Für Patienten mit weniger schwer ausgeprägten depressiven Episoden sowie für Patienten mit chronischen depressiven Episoden zeigte sich hingegen kein signifikanter Vorteil einer Kombinationstherapie. Hinsichtlich der Remissionsraten zeigte sich ebenfalls keine signifikante Überlegenheit einer Kombinationstherapie gegenüber einer alleinigen Pharmakotherapie; auch hinsichtlich des Zeitraumes bis zum Erreichen einer Remission oder der Anzahl an Rückfällen ergab sich kein statistisch signifikanter Vorteil. Unter einer Kombinationsbehandlung beendete ein geringerer Anteil an Patienten die Studienteilnahme vorzeitig im Vergleich zu einer alleinigen Pharmakotherapie (18,9 % vs. 26,8%). Auch ergaben sich für Patienten unter einer kombinierten Behandlung seltener schwere Nebenwirkungen (49 vs. 71). Dieser Effekt ließ sich jedoch bei Berücksichtigung des Zeitraums, der für das Erreichen einer anhaltenden Remission benötigt wurde, nicht mehr nachweisen. Patienten mit komorbider Persönlichkeitsstörung benötigten unabhängig von der Behandlung einen längeren Zeitraum bis zum Erreichen einer anhaltenden Remission.

Zusammenfassung

Die Ergebnisse der Studie untermauern bisherige Ergebnisse von RCT und Metaanalysen, in denen sich in der Behandlung depressiver Episoden eine Kombination aus psychotherapeutischen und medikamentösen Verfahren einer Monotherapie bzw. einer alleinigen medikamentösen Behandlung als überlegen gezeigt hat (z.B. (2)). Vorteil der aktuellen Studie ist hierbei die lange Behandlungsdauer von bis zu 42 Monaten mit dem Ziel des Erreichens eines klinischen Endpunktes (Remission bzw. anhaltende Remission) sowie die Möglichkeit einer individualisierten Pharmakotherapie. Beides spiegelt die klinische Praxis im Vergleich zu Studien mit auf wenige Wochen beschränkten Behandlungszeiträumen und begrenzten medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten besser wider. Der Effekt einer zusätzlichen KVT im Vergleich zu einer alleinigen Pharmakotherapie ist in der aktuellen Studie von Hollon et al. (1) mit einer Differenz von insgesamt 11% im Anteil der Patienten mit anhaltender Remission im Vergleich zu vorherigen Studien nur mäßig ausgeprägt. Dies ist möglicherweise durch die individualisierte Pharmakotherapie und damit einhergehenden Deckeneffekten, die ein Abbilden eines zusätzlichen Effektes einer KVT erschweren bzw. unmöglich machen, bedingt. Die Studie weist dabei auf moderierende Effekte der Schwere und der Dauer depressiver Episoden hin. Während der Vorteil einer kombinierten Behandlung im Vergleich zu alleiniger Pharmakotherapie in der Untergruppe von Patienten mit schwerer, nicht-chronischer Depression mit einer NNT von 3 sehr deutlich war, fand sich kein signifikanter Vorteil für Patienten mit leicht bis mittelschwerer depressiver Episode und für Pat. mit chronischer Depression. Andererseits konnte in vorherigen Studien ein Vorteil einer kombinierten Behandlung im Vergleich zu alleiniger Pharmakotherapie durchaus auch für leicht bis mittelschwere depressive Episoden aufgezeigt werden (2, 3). Aussagen zu Effekten einer alleinigen Psychotherapie im Vergleich zu einer Kombination aus Pharmako- und Psychotherapie lassen sich aufgrund des Studiendesigns nicht treffen.

Klinische Konsequenzen
Die Studie stützt die Empfehlungen im Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie, 10. Auflage (Kapitel 1.4.5, Antidepressiva und Psychotherapie bei Depression), die synergistischen Behandlungseffekte von psychopharmakologischen und psychotherapeutischen Verfahren zu nutzen. Entsprechend den Empfehlungen im Kompendium (Box 1, S. 46, Pharmako- und Psychotherapie bei der Depression – Bewertung) sollte insbesondere in der Behandlung der schweren Depression eine Pharmakotherapie möglichst mit einer Psychotherapie kombiniert werden. In der Behandlung der leichten Depression ist in Abhängigkeit von der Patientenpräferenz und der Verfügbarkeit zunächst ein psychotherapeutisches oder ein medikamentöses Vorgehen allein indiziert. Bei rezidivierenden depressiven Störungen sollte nach Möglichkeit gleich eine Kombination erwogen werden.
Im Hinblick auf die Ergebnisse bezüglich chronischer Depressionen weist die aktuelle Studie erneut darauf hin, dass Vorteile einer zusätzlichen psychotherapeutischen Intervention in dieser Patientengruppe noch unklar sind. Während sich in manchen Studien eine Kombinationsbehandlung einer alleinigen medikamentösen Behandlung als überlegen erwies, fand sich in dieser sowie auch anderen Studien kein Vorteil einer zusätzlichen Psychotherapie. Entsprechend den Empfehlungen im Kompendium (Box 1, S. 46, Pharmako- und Psychotherapie bei der Depression – Bewertung) sollte bei chronischen Depressionen insbesondere bei Vorliegen früher Traumatisierungen eine Kombinationsbehandlung angeboten werden, wobei hier eine alleinige medikamentöse Behandlung einer alleinigen psychotherapeutischen Behandlung überlegen zu sein scheint.

LITERATUR

(1) Hollon SD, DeRubeis RJ, Fawcett J, Amsterdam JD, Shelton RC, Zajecka J, Young PR, Gallop R. Effect of cognitive therapy with antidepressant medications vs antidepressants alone on the rate of recovery in major depressive disorder: a randomized clinical trial. JAMA Psychiatry. 2014;71(10):1157-64.
(2) Cuijpers P, Sijbrandij M, Koole SL, Andersson G, Beekman AT, Reynolds CF 3rd. Adding psychotherapy to antidepressant medication in depression and anxiety disorders: a meta-analysis. World Psychiatry. 2014; 13(1):56-67.
(3) Cuijpers P, van Straten A, Schuurmans J, van Oppen P, Hollon SD, Andersson G. Psychotherapy for chronic major depression and dysthymia: a meta-analysis. Clin Psychol Rev. 2010;30(1):51-62.

Francesca Regen, Berlin; francesca.regen@charite.de
Otto Benkert, Mainz; www.ottobenkert.de

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