Citalopram und Escitalopram – Pharmakodynamische und pharmakokinetische Unterschiede und klinische Konsequenzen

Bei einem chiralen Molekül können die einzelnen Stereoisomere Unterschiede hinsichtlich ihrer pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Eigenschaften aufweisen. Der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Citalopram ist ein razemisches Gemisch aus S-(+)Citalopram (Escitalopram) und R-(-)Citalopram. Dabei zeigt Escitalopram eine hohe Affinität für den Serotonintransporter und führt zu einer Serotoninwiederaufnahmehemmung, während R-Citalopram nur eine geringe Affinität für den Serotonintransporter aufweist. Entsprechend wird die antidepressive Wirkung von Citalopram allein dem Anteil an Escitalopram zugeschrieben, während R-Citalopram keine Wirkung am Serotonintransporter zeigt und damit als inaktives Stereoisomer gilt.

Randomisierte kontrollierte klinische Studien wiesen auf mögliche Wirksamkeitsvorteile und einen schnelleren Wirkeintritt von Escitalopram im Vergleich zu Citalopram hin (z.B. Lepola et al., 2004, Montgomery et al., 2011). Als zugrundeliegend für die Wirksamkeitsvorteile von Escitalopram im Vergleich zu Citalopram werden verschiedene Faktoren diskutiert. So scheint Escitalopram über eine Aktivität an einer allosterischen Bindungsstelle seine eigene Bindung an den Serotonintransporter noch zu verstärken. Eine solcher Effekt ist bei R-Citalopram nicht beschrieben. Im Gegenteil: R-Citalopram scheint die Affinität von Escitalopram für den Serotonintransporter zu verringern und könnte damit einen „negativen“, interferierenden Effekt aufweisen. In einer Studie bei gesunden Probanden fanden sich in einer Single-Photon-Emissions-Computertomografie (SPECT) nach einer 10-tägigen Gabe von 20 mg Citalopram oder 10 mg Escitalopram eine höhere Besetzung der Serotonintransporter unter Escitalopram im Vergleich zu Citalopram (Kasper et al., 2009). Auch hinsichtlich der Pharmakokinetik konnten in-vitro Studien Unterschiede zwischen den Enantiomeren finden: so zeigt Escitalopram eine größere Clearance im Vergleich zu R-Citalopram, so dass bei Einnahme von razemischen Citalopram die steady-state Konzentrationen von Escitalopram im Vergleich zu R-Citalopram niedriger sind. So wurde bei Mehrfachgaben von Citalopram aufgrund eines langsameren Metabolismus des R-Enantiomers ein Verhältnis von R-Citalopram zu S-Citalopram von 3:1 gefunden. Diese pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Unterschiede und Besonderheiten zwischen den Enantiomeren und damit zwischen razemischem Citalopram und „reinem“ Escitalopram liegen auch unserem Hinweis hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit bzw. Äquivalenzdosierung zugrunde, dass 10 mg Escitalopram in etwa 40 mg Citalopram entsprechen (Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie/ Kap 1/ Präparateteil/ Escitalopram/Dosierung).

Francesca Regen, Berlin [francesca.regen@charite.de]
Otto Benkert, Mainz [otto.benkert@t-online.de]

Literatur

Lepola U, Wade A, Andersen HF. Do equivalent doses of escitalopram and citalopram have similar efficacy? A pooled analysis of two positive placebo-controlled studies in major depressive disorder. Int Clin Psychopharmacol. 2004;19(3):149-55.

Montgomery S, Hansen T, Kasper S. Efficacy of escitalopram compared to citalopram: a meta-analysis. Int J Neuropsychopharmacol. 2011;14(2):261-8.

Kasper S, Sacher J, Klein N, Mossaheb N, Attarbaschi-Steiner T, Lanzenberger R, Spindelegger C, Asenbaum S, Holik A, Dudczak R. Differences in the dynamics of serotonin reuptake transporter occupancy may explain superior clinical efficacy of escitalopram versus citalopram. Int Clin Psychopharmacol. 2009;24(3):119-25.

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