Nachdem Lundbeck Nortripylin aus dem Handel genommen hatte kann jetzt wieder Nortriptylin von Glenmark verordnet werden. Da das Präparat zur Zeit der Herstellung der 12. Auflage des Kompendiums der Psychiatrischen Pharmakotherapie nicht verfügbar war, wurde auf die Darstellung verzichtet. Für die Leser der 12. Auflage des Kompendiums und der 5. Auflage des Pocket Guide wird hier nun die aktualisierte Fassung für Nortriptylin in die News eingestellt.
Nortriptylin
Trizyklisches Antidepressivum; NbN: Norepinephrine reuptake inhibitor (NET)
N-Methyl-3-(10,11-dihydro-5H-dibenzo[a,d]cyclohepten-5-yliden)propylamin
Nortriptylin Glenmark
Drg. 10 mg (50 Drg.)
Drg. 25 mg (24, 50, 100 Drg.)
Pharmakodynamik
- Stärkere Hemmung der NA- als der 5-HT-Wiederaufnahme.
- Anticholinerge und antihistaminerge Eigenschaften, α1-antiadrenerge Wirkung.
- Pharmakologisch aktiver Metabolit von Amitriptylin.
Pharmakokinetik
- t½ = ca. 30 h; Tmax = 4–6 h.
- Metabolisierung bevorzugt über CYP2D6, Hauptmetabolit ist 10-Hydroxynortriptylin.
- Plasmakonzentration: 70–170 ng/mlp.
Indikationen und Behandlungshinweise
- Episoden einer Major Depressionz.
- Off label → neuropathische Schmerzen (auch in Kombination mit Gabapentin), → Prophylaxe der Migräne.
Dosierung
- In den ersten 3 Tagen mit 3 × 10 mg bis 3 × 25 mg beginnen, übliche Erhaltungsdosis 100–150 mg/d, als Höchstdosis werden 150 mg/d empfohlen, ursprünglich zugelassene Tageshöchstdosis 225 mg/dz.
- Bei älteren Patienten niedrigere Dosierung (30-50 mg/d).
- PM von CYP2D6 benötigen im Mittel nur die Hälfte der üblichen Tagesdosis, UM von CYP2D6 das 2-Fache.
Nebenwirkungen, Risikopopulationen und Intoxikationen
Sehr häufig
Benommenheit, Müdigkeit, Gewichtszunahme, Kopfschmerzen, Schwindel, Mundtrockenheit, verstopfte Nase, Obstipation, Übelkeit, Palpitationen, Tachykardie, Schwitzen, Tremor, Akkommodationsstörungen, Aggression.
Häufig
Innere Unruhe, Agitiertheit, Aufmerksamkeitsstörungen, Verwirrtheit, Erschöpfung, Durstgefühl, EKG-Veränderungen (Verlängerung der QTc-Zeit, QRS-Verbreiterung), kardiale Erregungsleitungsstörungen, AV-Block, Rechts- oder Linksschenkelblock, orthostatische Hypotonie, Ataxie, Hyponatriämie, Geschmacksstörungen, Mydriasis, Parästhesien, Hautausschläge, Miktionsstörungen, sexuelle Funktionsstörungen.
Gelegentlich
Krampfanfälle, Schlafstörungen, Schlaflosigkeit, Angst, Albträume, allergische Reaktionen (besonders der Haut), Hypomanie, Manie, Leberfunktionsstörungen, gastrointestinale Beschwerden, Verstärkung einer bestehenden Herzinsuffizienz, Blutdruckanstieg, Synkopen, intraokuläre Druckerhöhung, Glaukomanfälle, Tinnitus, Harnverhalt, Galaktorrhö.
Sonstige NW
Selten Erhöhung der alkalischen Phosphatase, meist passagerer Transaminasenanstieg, Knochenmarksdepression, Agranulozytose, Blutbildveränderungen (insbesondere Leukopenie), Eosinophilie, Thrombozytopenie, Akathisie, Dyskinesie, Ileus, Herzrhythmusstörungen, Delir. QTc-Zeit-Verlängerung bekannt, sehr selten sind TdP aufgetreten.
Risikopopulationen
Herz: Ausgeprägte anticholinerge sowie α1-antiadrenerge Wirkung, daher häufig Herzfrequenzanstieg, orthostatische Dysregulation (jedoch weniger ausgeprägt als bei den übrigen TZA); Depolariationsverzögerungen wegen natriumkanalblockierender Wirkung, QTc-Zeit-Verlängerung mit arrhythmogenem Potenzial; bei kardialer Vorschädigung (insbesondere Erregungsleitungsstörungen, Blockbildern im EKG, jedoch auch bei klinisch-symptomatischer Herz-Kreislauf-Erkrankung und Herzinsuffizienz) kontraindiziert. Leber und Niere: Bei leichten bis mittelgradigen Funktionsstörungen Laborkontrollen und Dosisanpassung, keine Anwendung bei schwerer Ausprägung.
Intoxikationen
▶ Amitriptylin.
Kontraindikationen
- Harnverhalt, Engwinkelglaukom, Prostatahypertrophie mit Restharnbildung, Delir, Pylorusstenose, paralytischer Ileus, Erregungsleitungsstörungen, Herzrhythmusstörungen, kürzlich aufgetretener Myokardinfarkt, KHK.
Relative Kontraindikationen
- Schwere Leber- und Nierenerkrankung; erhöhte Anfallsbereitschaft; Prostatahypertrophie ohne Restharnbildung; Blutbildungsstörungen; Hyperthyreose; Hypokaliämie; Bradykardie, nicht kompensierte Herzinsuffizienz.
Interaktionen
- Vorsicht bei gleichzeitigem Konsum von Alkohol oder Einnahme anderer zentral dämpfend wirkender AM: mögliche Wirkverstärkung.
- Keine Kombination mit MAOH.
- Nortriptylin kann die Wirksamkeit von Antihypertensiva vom Guanethidin- bzw. Clonidin-Typ abschwächen mit der Gefahr einer Rebound-Hypertension.
- Vorsicht bei Kombination mit anticholinerg wirksamen Medikamenten, z. B. Biperiden, Benztropin, Metixen oder Trihexiphenyl, wegen des Risikos eines Delirs.
- QTc-Zeit-Verlängerung bekannt: Keine Kombination mit Thioridazin und Pimozid. Vorsicht mit anderen die QTc-Zeit verlängernden AM.
- Vorsicht bei Kombination mit AM, die Hypokaliämie/Hypomagnesiämie verursachen können (Risiko für Arrhythmien). Elektrolytstörungen sollten vor Behandlungsbeginn korrigiert werden.
- Vorsicht bei Kombination mit CYP2D6-Inhibitoren (▶ Anhang INT), z. B. Metoprolol; dann Kontrolle der Plasmaspiegel.
Bewertung
TZA ohne sedierende Eigenschaften, weniger anticholinerge Eigenschaften im Vergleich zu anderen TZA, geringeres Ausmaß an Kreislauf-NW. Bei Neigung zu orthostatischer Dysregulation ist im Fall der Wahl eines TZA Nortriptylin vorzuziehen. TDM unter Nortriptylin gut untersucht. Verträglichkeit und therapeutische Breite geringer als bei den neueren Antidepressiva. Nortriptylin kann zu QTc-Zeit-Verlängerung führen und hat arrhythmogenes Potenzial; bei > 100 mg/Tag steigt das Risiko für kardiale NW.
Francesca Regen, Berlin [francesca.regen@charite.de]
Otto Benkert, Mainz [otto.benkert@t-online.de]