Lamotrigin – Neue Metaanalyse zur Wirksamkeit bei der bipolaren Depression

Bereits in unserer News vom 20.05.2008 wurden aktuelle Empfehlungen zum Einsatz von Antikonvulsiva bei bipolarer Depression ausführlich dargestellt. Die dort zitierte Metaanalyse (Calabrese et al., Bipolar Disord. 10: 323, 2008) zeigte, dass eine Lamotrigin-Monotherapie hinsichtlich der antidepressiven Wirksamkeit in der Akutbehandlung der bipolaren Depression Placebo nicht überlegen ist.

Im Januar 2009 erschien nun eine neue Metaanalyse zur Wirksamkeit von Lamotrigin bei der bipolarer Depression, die Daten von insgesamt 1072 Patienten aus den oben genannten fünf randomisierten, placebokontrollierten Studien, in einer Subgruppenanalyse bewertet (Geddes et al., Br J Psychiatry. 194 (1): 4).
In der aktuellen Metaanalyse wurden fünf Studien ausgewertet, die eine Lamotrigin-Monotherapie mit einer Placebogabe bei bipolarer Depression verglichen. Die Dauer der Studien variierte zwischen sieben und zehn Wochen, die tägliche Lamotrigin-Dosis betrug in der Studie I 50 mg oder 200 mg, in Studie II war sie flexibel zwischen 100 und 400 mg, in den Studien III, IV und V betrug sie 200 mg.
In einer Intention-to-treat-Analyse wurden die Reduktion der Baseline-Scores der Hamilton Depressions Skala (HAMD) sowie der Depressionsskala von Montgomery-Åsberg (MADRS) um mehr als 50% betrachtet. Als Remissionskriterien galten ein HAMD-Score < 8 bzw. ein MADRS-Score < 12.
Die Auswertung zeigte eine Überlegenheit von Lamotrigin gegenüber Placebo in der Reduktion der HAMD- und MADRS-Scores; bei der Beurteilung der Remissionskriterien war Lamotrigin nur auf der MADRS einer Placebobehandlung statistisch signifikant überlegen. Eine Subgruppenanalyse hinsichtlich der Schwere depressiver Symptome erfolgte auf der Basis des gemessenen HAMD-Mittelwertes von 24. Lamotrigin erwies sich als überlegen bei Patienten mit einem HAMD-Score > 24 (bewertet als schwere Depression), nicht jedoch bei mittelgradigen bis leichten depressiven Episoden (HAMD ≤ 24).

Die Metaanalyse zeigte insgesamt einen moderaten antidepressiven Effekt der Behandlung mit Lamotrigin. Die Anzahl notwendiger Behandlungen (number needed to treat, NNT) für Lamotrigin, die sich aus dieser Analyse berechnet, beträgt elf, wobei hier die relative hohe Placebo-Ansprechrate zu berücksichtigen ist. Nur bei Patienten mit höherem Schweregrad der Depression reduziert sich die NNT auf sieben. Die Autoren räumen ein, dass einem fehlenden Wirksamkeitsunterschied zwischen Lamotrigin und Placebo bei leicht- bis mittelgradigen Depressionen auf eine starke Placebo-Response in dieser Subgruppe zurückgeführt werden könnte. Die Ergebnisse beziehen sich auf Bipolar-I und Bipolar-II-Störungen.
Klinische Konsequenzen:
1. Die Autorengruppe revidiert ihre negative Aussage in Bezug zur Wirksamkeit von Lamotrigin bei der bipolaren Depression aus dem Jahr 2008 in einer Subgruppenanalyse jetzt 2009 insofern, dass die Wirksamkeit differenziert gesehen werden muss und abhängig vom Schweregrad der Depression ist.

2. Lamotrigin ist bei der leichten bis mittelschweren bipolaren Depression nur begrenzt wirksam. Lamotrigin kann bei dieser Gruppe optional eingesetzt werden.

3. Bei der schweren bipolaren Depression (HAMD-Score > 24) ist Lamotrigin Placebo deutlich überlegen. Dieser Zielgruppe sollte Lamotrigin möglichst nicht vorenthalten werden.

4. Von diesen Ergebnissen unberührt bleibt die positive robuste phasenprophylaktische Wirkung von Lamotrigin.

Michael Paulzen, Aachen
Gerhard Gründer, Aachen
Otto Benkert, Mainz

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