Dapoxetin – Zulassung eines SSRI für die Behandlung der Ejaculatio praecox

Seit Juni 2009 ist mit Dapoxetin (PRILIGY®, JANSSEN-CILAG) der erste orale Wirkstoff zur Behandlung der Ejaculatio praecox in Deutschland und Österreich bei Männern zwischen 18 und 64 Jahren zugelassen worden. Dapoxetin ist derzeit nicht erstattungsfähig. Vor einer Verschreibung müssen sowohl eine eingehende Anamnese mit Fokus auf vergangene orthostatische Vorfälle als auch eine Orthostaseprüfung vorgenommen werden.
Wirkmechanismus
Dapoxetin ist ein SSRI mit raschem Wirkungseintritt in der zugelassenen Indikation und kurzer Wirkdauer. Viele frühere Studien und Berichte hatten bereits die ejakulationsverzögernden Effekte von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI, Clomipramin), häufig als unerwünschte „Nebenwirkung“ (neben anderen sexuellen Funktionsstörungen), belegt.

Wirksamkeitsnachweis
In den Zulassungsstudien wurde Dapoxetin (30-60mg) oder Placebo an über 6.000 Männern mit nachgewiesenem Ejaculatio praecox (Alter 18-77 Jahre; sexuelle Beziehung von mindestens 6 Monaten) über 12 Wochen geprüft, Partner wurden in die Evaluationen einbezogen (u.a. Pryor et al, Lancet, 2006, 368:929).
Die Ejakulationslatenz wurde durch Dapoxetin signifikant gegenüber Placebo verlängert (im Mittel auf das 2- bis 3-fache). Allerdings ist die Verlängerung der intravaginalen Ejakulationslatenz (um etwa 1-2 min) unter Dapoxetin offensichtlich geringer als z.B. unter Paroxetin oder Clomipramin (regelmässige Einnahme); keine dieser Vergleichssubstanzen ist jedoch bei Ejaculatio praecox zugelassen. Die Nebenwirkungen sind SSRI-typisch, in den Zulassungsstudien wurden v.a. Kopfschmerzen, Übelkeit und leichter Brechreiz berichtet, die wenige Stunden nach der Einnahme von Dapoxetin verschwanden

Dosierung
In der Regel 30mg, maximal 60mg. Einnahme 1-3 Std vor der geplanten sexuellen Aktivität, keine Wiederholung innerhalb von 24 Std.

Pharmakokinetik
Tmax 1-2 Std, Eliminationshalbwertszeit ca. 19 Std, Bioverfügbarkeit 15-76%, die Metabolisierung erfolgt vorwiegend über CYP2D6 und insbesondere CYP3A4 v.a. zum aktiven Metaboliten Desmethyldapoxetin.

Nebenwirkungen
Sehr häufig: Übelkeit (bei 60mg bis zu 30%), Schwindel, Kopfschmerz.
Häufig: Insomnie, Angstzustände, Agitation, Unruhe, Libidoreduktion, anomale Träume, Somnolenz, Aufmerksamkeitsstörung, Tremor, Parästhesien, Verschwommensehen, Tinnitus, Erröten, Gähnen, Nasennebenhöhlenverstopfung, weitere gastrointestinale Störungen, Hyperhidrose, erektile Dysfunktion, Müdigkeit, Reizbarkeit, Hypertonie. Gelegentlich: u.a. Sinusarrest, Tachykardie, Ejakulationsversagen, genitale Parästhesien, Libidoverlust, Orgasmusstörungen.
Beschrieben sind auch Synkopen (in der Mehrzahl in den ersten 3 Std) und orthostatische Hypotonie.

Wechselwirkungen
CYP3A4-Inhibitoren und CYP2D6-Inhibitoren bzw. „poor metabolizer“-Status erhöhen die Plasmaspiegel von Dapoxetin.

Kontraindikationen
Orthostatische Reaktionen in der Vorgeschichte, schwere Herzerkrankungen (Herzinsuffizienz NYHA II-IV, Reizleitungsstörungen, ischämische Herzerkrankung, Herzklappenerkrankungen), mäßige bis schwere Leberfunktionsstörungen, schwere Nierenfunktionsstörungen, psychiatrische Erkrankungen, Alkohol und Drogen, gleichzeitige Einnahme von potenten CYP3A4-Inhibitoren, Thioridazin, SSRI, SNRI, trizyklischen Antidepressiva, MAO-Hemmer, Johanniskraut, Lithium und anderen serotoninerge Medikamenten.

Bewertung
Der rasche Wirkungseintritt macht Dapoxetin als „On-demand“-Medikation bei der recht häufigen Ejaculation praecox prinzipiell geeignet, es bleibt jedoch die kritische individuelle Abwägung von erwünschten und unerwünschten Wirkungen.
Matthias J. Müller, Gießen und Marburg
Otto Benkert, Mainz

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