Asenapin – Zulassung zur Behandlung manischer Episoden

Im September 2010 wurde mit Asenapin (SYCREST® Sublingualtabletten) durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) ein weiteres atypisches Antipsychotikum für die Behandlung von mittelstark bis stark ausgeprägten manischen Episoden im Zusammenhang mit einer Bipolar-I-Störung bei Erwachsenen zugelassen. Gemäß einer Exklusivvereinbarung zwischen Lundbeck und Merck erfolgt der Vertrieb von SYCREST® Sublingualtabletten innerhalb der EU durch Lundbeck.

 

Asenapin ist in den USA (Handelsname: SAPHRIS®) bereits seit August 2009 für die akute Behandlung von Schizophrenien bei Erwachsenen und für die akute Behandlung von manischen oder gemischten Episoden im Zusammenhang mit Bipolar-I-Störung mit oder ohne psychotische Merkmale bei Erwachsenen zugelassen. Im September 2010 wurden in den USA die Indikationen auf die Kombinationstherapie mit Lithium oder Valproat für die akute Behandlung von manischen oder gemischten Episoden im Zusammenhang mit einer Bipolar-I-Störung erweitert.

 

Als Monotherapie zur Behandlung einer manischen Episode sollte SYCREST® zu Beginn in einer Dosierung von 20 mg/Tag, verteilt auf zwei Dosen, täglich eingenommen werden, wobei die ausschließlich verfügbare Applikationsform als Sublingualtabletten Besonderheiten in der Bioverfügbarkeit bedingt (s.u.). Die Dosierung kann basierend auf einer klinischen Beurteilung auf 10 mg/Tag gesenkt werden. Als Kombinationstherapie wird eine Anfangsdosis von 10 mg/Tag empfohlen.

 

Die Bioverfügbarkeit von Asenapin variiert sehr stark in Abhängigkeit von der Einnahmeform: bei peroraler Applikation ist sie kleiner als 2 Prozent, während sie bei der sublingualen Einnahme und entsprechender Resorption über die Mundschleimhaut etwa 35 Prozent beträgt. Hieraus resultieren Konsequenzen für die Einnahme. So sollte der Patient darauf hingewiesen werden, dass er nach der Gabe etwa zehn Minuten weder essen noch trinken sollte, um eine optimale Resorption durch die Mundschleimhaut zu gewährleisten. Sollten mehrere Medikamente eingenommen werden, so sollte die Einnahme von Asenapin Sublingualtabletten am Ende erfolgen.

 

Asenapin ist eine tetrazyklische chemische Verbindungmit struktureller Verwandtschaft zu Quetiapin und Olanzapin. Es wird extensiv unter Beteiligung von Cytochrom CYP 1A2, 2D6 und 3A4 hepatisch metabolisiert, ist zugleich ein schwacher Inhibitor von CYP2D6. Vorsicht ist bei der Anwendung des CYP1A2-Inhibitors Fluvoxamin geboten, der zu erhöhten Asenapin-Plasmaspiegeln führt. Aber auch Paroxetin, das sowohl Substrat als auch Inhibitor von CYP2D6 ist, führt zu erhöhten Asenapin-Plasmaspiegeln.

 

Der Wirkmechanismus ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass die antagonistische Aktivität an den D2- und 5-HT2A-Rezeptoren der Wirkung zugrunde liegt. Aktivitäten an anderenRezeptoren wie beispielsweise 5-HT1A-, 5-HT1B-, 5-HT2C-, 5-HT6-, 5-HT7-, D3- und α2-adrenergen Rezeptoren spielen möglicherweise ebenfalls eine Rolle.

 

Als wichtigste Nebenwirkungen sind in der Fachinformation Somnolenz und Angst genannt, deren Auftreten als sehr häufig angegeben wird. Darüber hinaus sind die Nebenwirkungen Gewichtszunahme, Appetitsteigerung, extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen, Leberwerterhöhungen, Muskelrigidität oder Ermüdung häufig. Hyperglykämie, Synkopen oder sexuelle Funktionsstörungen wurden gelegentlich berichtet.

 

Zulassungsstudien für die manischen Episoden:

Die für die Zulassung zur Behandlung akuter Manien vorgelegten Studien (u.a. RCT mit Plazebo und Olanzapin als Vergleichssubstanzen) zeigen eine Wirksamkeit in der Behandlung manischer Episoden; sie ist jedoch im Vergleich zu Olanzapin geringer, bei offensichtlich nicht verbessertem Profil unerwünschter Wirkungen. In zwei dreiwöchigen randomisierten plazebokontrollierten Doppelblindstudien mit 488 (McIntyre et al., Bipolar Disord. 2009, 11 (7): 673-86) bzw. 487 Patienten (McIntyre et al. J Affect Disord. 2010, 122 (1-2):27-38) wurde Asenapin mit Olanzapin verglichen. Hauptindikator für die Wirksamkeit bei bipolaren Störungen war eine Veränderung auf der Young Mania Rating Scale (YMRS)nach 21 Tagen. In beiden Studien kam es zu einer Abnahme der Punktwerte der YMRS nach drei Wochen um 10,8 Punkte bzw. 11,5 unter Asenapin versus 12,6 bzw. 14,6 Punkte unter Olanzapin. Im Plazeboarm wurde eine Abnahme der Punktewerte der YMRS von 5,5 bzw. 7,8 gemessen. Bereits am zweiten Tag zeigte sich ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen Verum und Plazebo.

 

Zudem wurden insgesamt 504 Patienten beider Studien in einer Fortsetzungsstudie (McIntyre et al. Bipolar Disord. 2009, 11 (8): 815-26) über weitere neun Wochen untersucht. Hier zeigte sich eine Nichtunterlegenheit von Asenapin gegenüber Olanzapin in der Langzeitbehandlung bipolarer Störungen. Schließlich wurden Patienten, die auch die neunwöchige Fortsetzungsstudie erfolgreich durchliefen, in einer vierzigwöchigen Langzeitstudie untersucht, in der sich ebenfalls eine Wirksamkeit von Asenapin bei der Behandlung bipolarer Störungen zeigte (McIntyre et al. J Affect Disord. 2010, 126 (3): 358-65).

 

Zulassungsstudien für die Schizophrenie:

 

Eine Zulassung zur Behandlung der Schizophrenie wurde überdies von der EMA abgelehnt. In drei randomisierten, plazebokontrollierten Kurzzeitstudien über sechs Wochen mit Asenapin im Vergleich zu Olanzapin bzw. Haloperidol konnte keine ausreichende Reduktion der Werte der PANSS-Skala unter Asenapin erreicht werden (Kane et al. J Clin Psychopharmacol. 2010, 30 (2): 106-15). Zusammenfassend begründet die EMA die Verwehrung der Zulassung mit dem fehlenden Nachweis einer Wirksamkeit in Kurzzeitstudien und nur geringgradig ausgeprägter Wirksamkeit in Langzeitstudien. So zeigten Schoemaker et al. (Pharmacopsychiatry. 2010, 43 (4): 138-46) in einer 52-wöchigen Langzeitstudie eine geringere Reduktion des PANSS-Scores unter Asenapin als unter Olanzapin; dies zwar bei niedrigerem Gewichtsanstieg unter Asenapin und mit vergleichbar geringen Prolaktinerhöhungen, aber erhöhter Inzidenz von extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungen.

QTc-Verlängerungen lagen in einem niedrigen Bereich von im Mittel etwa 5 msec (Chapel et al. J Clin Pharmacol. 2009, 49 (11): 1297-308).

 

Bewertung:

 

Mit Asenapin steht ein weiteres atypisches Antipsychotikum zur Behandlung manischer Episoden zur Verfügung. Nach der Auswertung zulassungsrelevanter Studien scheint ein eindeutiger therapeutischer Vorteil zumindest gegenüber Olanzapin weder hinsichtlich der Effektivität noch hinsichtlich des Risikoprofils gegeben.

 

Ob sich gegenüber den anderen atypischen Antipsychotika ein differenziertes Nebenwirkungsprofil herausbilden wird, kann zurzeit noch nicht beurteilt werden.

 

Das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) sieht die Wirksamkeit von Asenapin sehr kritisch. So sieht das CHMP das Ansprechen aus Asenapin in Bezug auf Response und Remission gegenüber Plazebo als nicht signifikant an.

 

Darüber hinaus sieht die EMA die Nichtunterlegenheit von Asenapin gegenüber Olanzapin in der Langzeitstudie A7501006 bei Manie (McIntyre et al. J Affect Disord. 2010, 126 (3): 358-65) als nicht nachgewiesen an (Sycrest Assesment Report, EMA/CHMP/583011/2010).

 

Zudem dürfte die starke Variation der Bioverfügbarkeit in Abhängigkeit vom Resorptionsort im klinischen Alltag nicht unproblematisch sein. Gerade bei akut manischen Patienten erscheint die Gewährleistung einer notwendigen Resorption über die Mundschleimhaut schwierig.

 

Obwohl Asenapin in den USA zur Behandlung der Schizophrenie bei Erwachsenen zugelassen wurde, wurde es in Europa wegen unzureichender Wirksamkeit in der ebenfalls beantragten Indikation Schizophrenie nicht zugelassen.

 

Zurzeit ist noch nicht erkennbar, welchen Vorteil Asenapin gegenüber anderen atypischen Antipsychotika bei der Behandlung mäßig bis schwer ausgeprägten manischen Phasen bei bipolaren Störungen bieten kann.

 

Michael Paulzen, Aachen

Gerhard Gründer, Aachen

Matthias J. Müller, Marburg/Gießen

Otto Benkert, Mainz

 

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