Carbamazepin – Risiko von Hautreaktionen bei Kombination mit Paracetamol um das 40-fache erhöht.

Die Behandlung mit Antikonvulsiva wie Carbamazepin, Lamotrigin oder Valproinsäure geht mit einem erhöhten Risiko von Hautreaktionen einher. Neben einfachen Hautreaktionen kann es auch zum Stevens-Johnson-Syndrom oder zur toxischen epidermalen Nekrolyse kommen (TEN). Die toxische epidermale Nekrolyse (auch Lyell-Syndrom genannt) ist die Maximalvariante des Stevens-Johnson-Syndroms. Es handelt sich um die gleiche seltene, aber potentiell lebensbedrohliche Erkrankung. Klinisch treten beim Stevens-Johnson-Syndrom abrupt Exantheme auf, die sich rasch ausbreiten. Oft kommt es vorher zu Fieber, Grippegefühl, Kopfschmerzen, Halsschmerzen oder Muskelschmerzen. Bei Verdacht auf ein Stevens-Johnson-Syndrom müssen die Präparate sofort abgesetzt werden.
 

Nebenwirkungen treten bei alleiniger Verabreichung von Carbamazepin (Monotherapie) seltener als bei gleichzeitiger Gabe mit anderen Antikonvulsiva (Kombinationstherapie) auf. Ein Großteil der Nebenwirkungen kann dosisabhängig, insbesondere bei Behandlungsbeginn auftreten. Daher sollte Carbamazepin einschleichend aufdosiert werden. Allergische Hautreaktionen mit und ohne Fieber sind bei der Behandlung mit Carbamazepin häufig (> 1%).
Die Dosissteigerung bei Lamotrigin sollte sehr langsam erfolgen, um das Risiko von Hautreaktionen zu minimieren. Allergische Hautreaktionen sind bei der Behandlung mit Lamotrigin sehr häufig (> 10%). Selten werden während der Behandlung mit Lamotrigin auch schwere, lebensbedrohliche allergische Haut- und Schleimhautreaktionen beobachtet (Quincke-Ödem, Stevens-Johnson-Syndrom, Lyell-Syndrom). Diese Erkrankungen sind in wenigen Fällen auch tödlich verlaufen. Den Hautreaktionen können andere systemische Manifestationen einer Überempfindlichkeitsreaktion (Fieber, Lymphadenopathie) vorausgehen.

Während der Behandlung mit Valproinsäure treten selten (< 0.1%) Erythema multiforme auf. Einzelfälle vom Stevens-Johnson-Syndrom wurden beschrieben.
Der Patient sollte vor Behandlungsbeginn über diese Frühsymptome aufgeklärt werden.

In einer großen retrospektiven Analyse  Gau et al., J Clin Psychopharm, 2008; 28 wurden Daten aus einem Zeitraum von acht Jahren über 12424 taiwanesische Patienten mit einer bipolaren affektiven Störung untersucht.

Es konnte gezeigt werden, dass Patienten mit einer Kombination aus Carbamazepin und Paracetamol ein 40-fach erhöhtes Risiko für Hautreaktionen aufwiesen im Vergleich zu Patienten, die weder Carbamazepin noch Paracetamol erhalten hatten. Der Interaktionsmechanismus ist unklar. Bei Patienten, die ausschließlich Carbamazepin erhalten hatten, war das Risiko für Hautreaktionen um das 1,32-fache erhöht. Patienten, die ausschließlich Paracetamol erhalten hatten, zeigten ein um das 3,92-fache erhöhtes Risiko für Hautreaktionen.

Valproinsäure erhöhte auch signifikant das Risiko für ein Auftreten von Hautreaktionen, allerdings war dieses Risiko deutlich geringer als für Carbamazepin. Da in der Studienpopulation kaum Lamotrigin verschrieben wurde, konnte in dieser Studie das Risiko für Lamotrigin nicht bewertet werden.

Klinische Konsequenzen
• Carbamazepin sollte nicht mit Paracetamol kombiniert werden. Zwar sind diese Daten von taiwanesischen Patienten nicht ohne weiteres auf andere ethnische Gruppen zu übertragen; solange aber keine weiteren Daten vorliegen, sollte die Kombination vermieden werden.
• Für Valproinsäure und Lamotrigin reichen die Daten bisher nicht für eine Warnung aus. Es ist aber anzunehmen, dass auch bei diesen beiden Antikonvulsiva bei Patienten mit bipolarer Depression das Risiko einer möglichen Interaktion mit Paracetamol, wie bei Carbamazepin, erhöht ist.
• Die Patienten sollten vor der Behandlung über die Risiken von Hautreaktionen unter Antikonvulsiva aufgeklärt werden.

Olaf Möller, Aachen
Christoph Hiemke, Mainz
Gerhard Gründer, Aachen
Otto Benkert, Mainz

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