Galantamin ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Acetylcholinesterase-Hemmer (AChEI) und zur Behandlung der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz (AD) zugelassen. Daneben verstärkt Galantamin im Gegensatz zu den anderen AChEI Donepezil und Rivastigmin intrinsische Aktivität von Acetylcholin an nikotinergen α7-Acetylcholinrezeptoren. Bekannte unerwünschte Arzneimittel¬wirkungen (UAW) dieser Wirkstoffgruppe resultieren aus einer gesteigerten Aktivität des zentralen und peripheren cholinergen Systems im Sinne von kognitiven Störungen sowie (peripheren) parasympathikolytischen Effekten wie Bradykardien und Synkopen und gastrointestinalen Störungen (Übelkeit, Diarrhöen etc.).
Die Arzneimittelkommission der deutsche Ärzteschaft (AkdÄ) hat nunmehr nach Bekanntwerden von schwerwiegenden dermatologischen Nebenwirkungen einen entsprechenden Risikohinweis veröffentlicht (http://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/Weitere/index.html). Der Ersthersteller Janssen-Cilag informiert in einem Informationsbrief über vereinzeltes Auftreten der potenziell lebensbedrohlichen Dermatosen Steven-Johnson-Syndromen (SJS) sowie akuter generalisierter exanthemischer Pustulose (AGEP), weiterhin von Erythema multiforme (EM). Einzelne Fallberichte existieren schon seit längerer Zeit (siehe unten). Die Firma hat nunmehr für ihr Präparat Reminyl© (Hartkapseln und Lösung) die Fachinformation um diese seltenen UAW ergänzt. Es wird zu erhöhter Vorsicht sowie entsprechender Aufklärung vor Therapiebeginn geraten sowie zum Absetzen bei Neuauftreten von ersten Anzeichen von Hautreaktionen.
Eine Assoziation von SJS oder AGEP oder anderen schweren, potenziell lebensbedrohlichen Hautreaktionen mit einer Behandlung mit Donepezil oder Rivastigmin ist bisher nicht publiziert. Nach Herstellerangaben liegen für Rivastigmin auch ansonsten keine diesbezüglichen Meldungen vor, die auf eine direkte monokausale lebensbedrohliche Dermatose durch das Präparat schließen lassen (Novartis Pharma GmbH: Exelon®). Zu Donepezil waren vom Ersthersteller keine Angaben zu erhalten. Daher gibt es aktuell keine Hinweise für lebensbedrohliche Hautmanifestationen durch diese Substanzen. Hier wird die übliche Wachsamkeit gegenüber dermatologischen UAW bei Arzneimitteln empfohlen.
Klinische Konsequenzen:
• Patienten sollten über die Möglichkeit des Auftretens schwerwiegender Dermatosen vor Therapiebeginn aufgeklärt werden und behandelte Ärzte sollten entsprechend wachsam sein und im Therapieverlauf wachsam bleiben.
• Galantamin sollte bei ersten Anzeichen von Hautveränderungen abgesetzt werden.
• Da für andere AChEI entsprechende Berichte fehlen, wird unter der Therapie mit Donepezil und Rivastigmin die übliche Wachsamkeit gegenüber dermatologischen Nebenwirkungen, wie bei prinzipiell allen Medikamenten üblich, angeraten.
Literatur
Pérez-García MP, Sánchez-Motillas JM, Mateu-Puchades A, Díaz-Corpas T. Acute generalized exanthematous pustulosis induced by galantamine. Actas Dermosifiliogr. 2013 Dec;104(10):930-1. doi: 10.1016/j.ad.2012.10.012. Epub 2012 Dec 20. English, Spanish. No abstract available.
Ohne Autorenangabe. Galantamine: serious skin reactions. Prescrire Int. 2015 Jul;24(162):185.
Ohne Autorenangabe. Cutaneous drug reaction case reports: from the world literature. Am J Clin Dermatol. 2002;3(3):223-7.
Christian Lange-Asschenfeldt, Düsseldorf; christian.lange-asschenfeldt@lvr.de
Otto Benkert, Mainz; otto.benkert@t-online.de