Im Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie, 10 Auflage, wurde die neue Indikation und der neue Wirkansatz von Nalmefen beschrieben.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 19.02.2015 den Zusatznutzen von Nalmefen (Selincro®) gegenüber der vom G-BA bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie Naltrexon (jeweils in Kombination mit psychosozialer Unterstützung), bei Patienten mit einer Alkoholabhängigkeit bewertet. Der Zusatznutzen von Nalmefen wurde dabei aus methodischen Gründen als gegenwärtig nicht nachgewiesen beurteilt (https://www.g-ba.de/downloads/39-261-2179/2015-02-19_AM-RL-XII_Nalmefen_2014-09-01-D-127.pdf).
Der G-BA hat sich dabei der Beurteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) angeschlossen (https://www.g-ba.de/downloads/39-261-2179/2015-02-19_AM-RL-XII_Nalmefen_2014-09-01-D-127.pdf).
Nalmefen ist zugelassen zur Reduktion eines Alkoholkonsums auf hohem Risikoniveau bei Patienten ohne körperliche Entzugserscheinungen, für die keine sofortige Entgiftung erforderlich ist. Anders als die auf dem deutschen Markt verfügbaren Arzneimittel
Acamprosat und Naltrexon beinhaltet das Behandlungsziel einer Therapie mit Nalmefen nicht die Aufrechterhaltung der Abstinenz bzw. die Reduktion des Rückfallrisikos, sondern zielt auf die Reduktion der Alkoholaufnahme. Das IQWiG kommt zu dem Schluss, dass sich aus dem indirekten Vergleich gegenüber Naltrexon im Herstellerdossier kein Zusatznutzen ableiten lässt, da die Studien zur Naltrexon- und Nalmefenbehandlung aufgrund unterschiedlicher Ein- und Ausschlusskriterien, Therapieziele, Erflolgsparameter und Anwendungsspezifika („as needed“) nicht vergleichbar seien. Eine vergleichende Bewertung der Effektivität sei auf dieser Studienlage nicht möglich.
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) schließt sich im Ergebnis der Einschätzung des IQWiG an, dass „ein Vergleich zweier unterschiedlicher Populationen ein hohes Verzerrungspotential birgt und der vorgelegte indirekte Vergleich für
die Ableitung eines Zusatznutzens nicht geeignet ist.“(http://www.akdae.de/Stellungnahmen/AMNOG/A-Z/Nalmefen/Nalmefen.pdf).
Dem methodologischen Problem, eine pharmakologische Behandlung, die mit einem innovativen Therapiekonzept verknüpft ist, mit einer etablierten Behandlung zu vergleichen, stellt die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) die klinische Relevanz des neuen Therapieansatzes entgegen.
Nach Bewertung der vorliegenden Daten und Würdigung der komplexen Ausgangslage, bei fehlender „Head-to-Head“ Studie eine vergleichende Bewertung vorzunehmen, kommt die Stellungnahme der DGPPN zu folgendem Schluss:
„Bezogen auf die o.g. dramatische Unterversorgung alkoholabhängiger Patienten bei zugleich bestehenden massiven individuellen und gesellschaftlichen Folgen der Erkrankung erscheint es uns dringend notwendig und hinreichend begründet, die bestehende Evidenz für einen Zusatznutzen von Nalmefen bis zum Vorliegen von direkten Vergleichsdaten als ausreichend zu betrachten.“ (http://www.dgppn.de/dgppn/struktur/referate/psychopharmakologie.html)
Die aktuelle Bewertung im Kompendium 10.Auflage, S. 699 sollte in der Gesamtschau unverändert gelten, bis eine direkte Vergleichsstudie zwischen Nalmefen und einer Vergleichstherapie innerhalb eines Reduktionsbehandlungskonzepts bei alkoholabhängigen Patienten vorliegt:
„Alkoholtherapeutikum mit neuer Indikation und neuem Wirkansatz. Durch das Therapieziel der Trinkmengenreduktion besteht die Möglichkeit, die bisher große Gruppe unbehandelter alkoholabhängiger Patienten (ca. 90%) in einen therapeutischen Prozess zu bringen, der zu einer Reduktion der Folgeschäden, ggf. auch im zweiten Schritt zu einer abstinenzorientierten Therapie, führen kann. Aus klinischer Sicht erscheint die trinkmengenreduzierende Behandlung mit Nalmefen keine Alternative für die alkoholabhängigen Patienten, die bisher erfolgreich abstinenzorientiert behandelt werden. Das durch die Zulassung vorgegebene Behandlungskonzept eröffnet aber die Chance, Patienten zu erreichen, die (noch) nicht bereit sind, ein Abstinenzziel anzustreben. Im Sinne eines »stepped care« kann hier die Trinkmengenreduktion, im ersten Schritt ohne, im zweiten Schritt mit medikamentöser Unterstützung, eine sinnvolle Erweiterung der Therapieoptionen darstellen.“Falk Kiefer, Mannheim
In Pocket Guide Psychopharmaka von A-Z, 3. Auflage ist versehentlich das Präparat Nalmefen nicht abgedruckt worden. Das PDF finden Sie im vorherigen Post.