Bereits in der aktuellen Auflage 10. Auflage des Kompendiums der Psychiatrischen Pharmakotherapie haben wir dringend davor gewarnt, Valproat bei Frauen im gebärfähigen Alter anzuwenden. Kurz nach Erscheinen des Kompendiums wurde dann seitens der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Dezember 2014 ein Rote-Hand-Brief veröffentlicht, der verstärkte Sicherheitswarnungen in Bezug auf alldiejenigen Arzneimittel aussprach, die Valproat enthalten. Konkret geht es hierbei um das Risiko für Anomalien des Neugeborenen, falls Valproat in der Schwangerschaft eingesetzt werden sollte.
Zusammengefasst adressiert der Rote-Hand Brief folgende, klinisch wichtige Punkte:
- Bei Kindern, die im Mutterleib Valproat ausgesetzt waren, besteht ein hohes Risiko für schwerwiegende Entwicklungsstörungen (bis zu 30-40 % der Fälle) und/oder angeborene Missbildungen (ca. 10 % der Fälle).
- Valproat sollte Frauen im gebärfähigen Alter oder schwangeren Frauen nur verschrieben werden, wenn andere Arzneimittel nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden.
- Die Behandlung mit Valproat muss von einem Arzt eingeleitet und überwacht werden, der in der Behandlung von Epilepsie oder bipolaren Störungen Erfahrung hat.
- Jederzeit sollte sorgfältig der Nutzen einer Behandlung mit Valproat gegen die Risiken abgewogen werden.
- Es muss sichergestellt sein, dass alle Patientinnen über Folgendes informiert sind und den Inhalt verstehen:
- die mit Valproat während der Schwangerschaft verbundenen Risiken,
- die Notwendigkeit der Anwendung einer wirksamen Verhütung,
- die Notwendigkeit einer regelmäßigen Überprüfung der Behandlung,
- die Notwendigkeit einer sofortigen Beratung, wenn die Patientin eine Schwangerschaft plant oder schwanger wird.
Sollte während einer bestehenden Schwangerschaft eine Behandlung mit Valproat fortgesetzt werden, so gelten gemäß dem Rote-Hand-Brief die folgenden Empfehlungen:
- Es ist die niedrigste wirksame Dosis anzuwenden und die tägliche Dosis in mehrere kleine Dosen aufzuteilen, die über den Tag verteilt einzunehmen sind.
- Die Anwendung einer Retardformulierung kann anderen Darreichungsformen vorzuziehen sein.
- Eine spezielle pränatale Überwachung ist einzuleiten, um die Entwicklung des Ungeborenen zu überwachen, einschließlich des möglichen Auftretens von Neuralrohrdefekten oder anderen Missbildungen.
- Eine Folsäure-Supplementierung vor der Schwangerschaft kann das Risiko für Neuralrohrdefekte, welches bei allen Schwangerschaften besteht, möglicherweise senken.
- Jedoch legt die verfügbare Evidenz nicht nahe, dass eine solche Supplementierung Geburtsfehler oder Missbildungen, die durch eine Exposition gegenüber Valproat bedingt sind, verhindert.
Zur Verminderung unerwünschter Arzneimittelwirkungen wurden zwischenzeitlich ein Leitfaden für medizinische Fachkräfte sowie eine Patienteninformationsbroschüre und ein Formular über die Bestätigung über die Risikoaufklärung zum Download zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig weist das BfArM darauf hin, Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen an die Abteilung für Pharmakovigilanz zu melden.
Klinische Konsequenzen:
Der Rote-Hand-Brief bestätigt die besondere Sorge im Umgang mit Valproat. Die Indikation war bisher schon auf die Behandlung von manischen Episoden bei einer bipolaren Störung, wenn Lithium kontraindiziert ist oder nicht vertragen wird, reduziert. Die Einschränkung umfasst nun zusätzlich Frauen im gebärfähigen Alter und schwangere Frauen bei denen andere Arzneimittel nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden.
Michael Paulzen, Aachen; mpaulzen@ukaachen.de
Otto Benkert, Mainz; otto.benkert@t-online.de