Bei Frauen mit Östrogenrezeptor-positivem Brustkrebs im frühen Stadium vermindert Tamoxifen das Rückfallrisiko um 40% und das Risiko an Brustkrebs zu versterben um 31 % (S3-Leitlinien Mammakarzinom, 2008). Tamoxifen ist damit ein unverzichtbares Medikament der Brustkrebsbehandlung.
In jüngster Zeit hat man erkannt, dass der Effekt von Tamoxifen von der Aktivität des Cytochrom P450-Isoenzyms CYP2D6 abhängt. Tamoxifen ist ein Prodrug. Es wird aktiviert durch 4-Hydroxylierung zu 4-Hydroxytamoxifen und 4-Hydrox-N-desmethyltamoxifen (Endoxifen) durch CYP2D6.
Bei Patienten, die poor metabolizer (PM) von CYP2D6 sind, wurde festgestellt, dass sie ein erhöhtes Rückfallrisiko haben. Bei genetisch bedingtem nicht intaktem CYP2D6 wurde nachgewiesen, dass das rezidivfreie Überleben verkürzt ist (Kiyotani et al. J Clin Oncol. Feb 1, 2010). Die CYP2D6-Genotypisierung etabliert sich daher zunehmend als prognostischer Faktor für ein Ansprechen auf Tamoxifen (Kuderer and Peppercorn, Oncology 2009, 23:1223).
Die CYP2D6-Aktivität wird nicht nur genetisch bedingt vermindert, sondern auch durch Medikamente, die das Enzym hemmen, wie z.B. Propranolol oder Metoprolol und eine Reihe von Psychopharmaka wie Paroxetin, Fluoxetin oder Bupropion. Wegen der theoretisch zu erwartenden Abschwächung der Antitumorwirkung wurde die Kombination von Tamoxifen mit diesen Antidepressiva als potenziell schwerwiegendes Risiko eingeschätzt (Desmarais and Looper, J Clin Psychiatry 2009, 70:1688) und von dieser Kombination abgeraten.
Als risikoarm wurden von den Autoren Kombinationen von Tamoxifen mit Venlafaxin, Citalopram oder Escitalopram eingeschätzt. Für Sertralin oder Duloxetin wurde ein moderates Risiko angenommen. Für Citalopram wurde die Einschätzung, dass die Kombination mit Citalopram bzw. Escitalopram kein Risiko darstellt, in einer epidemiologischen dänischen Studie bestätigt (Lash et al. Acta Oncol., Feb 16, 2010).
Das Risiko erhöhter Mortalität bei Kombination mit Paroxetin wurde in einer populationsbasierten Kohortenstudie nachgewiesen (Kelly et al. BMJ., Feb 8, 340:693, 2010). Die Autoren fanden in ihrer aus 24430 Frauen bestehenden Kohorte, dass 7489 Patientinnen (30,6%) zusätzlich zu Tamoxifen mindestens ein Antidepressivum erhalten hatten. Sie errechneten, dass eine Behandlung mit Paroxetin über 41% der Tamoxifen-Therapiezeit zu einem zusätzlichen Todesfall pro 20 Patientinnen innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Tamoxifenbehandlung führte. Das erhöhte Risiko wurde nur für Paroxetin (630 behandelte Patientinnen) beobachtet, nicht jedoch für Behandlungen mit Fluoxetin (n=253), Sertralin (n=541), Fluvoxamin (n=174), Citalopram (n=467) oder Venlafaxin (n=365). Dass für Fluoxetin, welches ebenso wie Paroxetin ein potenter Inhibitor von CYP2D6 ist, kein erhöhtes Risiko gefunden wurde, kann an der geringeren Fallzahl liegen.
Klinische Konsequenzen
Insgesamt bestätigen die epidemiologischen Erhebungen, dass das Therapieergebnis einer Brustkrebsbehandlung mit Tamoxifen nicht nur durch einen genetisch bedingten Ausfall von CYP2D6 verschlechtert wird, sondern auch durch Kombination mit einem Antidepressivum wie Paroxetin, das CYP2D6 hemmt. Das Problem ist klinisch relevant, da etwa ein Drittel der Patientinnen antidepressiv behandelt wird. Anstelle von Paroxetin gibt es sichere Alternativen wie Citalopram, Escitalopram oder Venlafaxin, die CYP2D6 in vivo nicht hemmen. Diese Antidepressiva sollten bei Tamoxifen-Behandlung bevorzugt verordnet werden.
Christoph Hiemke, Mainz
Marianne Nagel-Hiemke,Mainz